5 typische Herausforderungen im Leben eines Scrum Masters und Tipps, um diese zu meistern

Ein Scrum Master zu sein, ist schwer.

Es ist genauso schwer, wie guten Code zu schreiben, gut zu zeichnen oder eine Fremdsprache fließend zu sprechen. Der Grund hierfür ist, dass das Meistern jeglicher Fähigkeiten Beständigkeit, Reflexion und bewusstes Handeln erfordert – alles Dinge, für die es dem Durchschnittsmenschen an Engagement fehlt.

Es gibt Tätigkeiten, bei denen angeborene Eigenschaften unverhältnismäßig stark belohnt werden, wie etwa die Körpergröße beim Basketballspielen. Im Gegensatz dazu ist die Fähigkeit, Teams bei der Umsetzung von Scrum effektiv zu unterstützen, etwas, das jeder erlernen und beherrschen kann, wenn er nur genug Durchhaltevermögen aufbringt. Es braucht Mut, beständig neue Versuche zu unternehmen, um Lösungen für Probleme zu entwickeln, die dem Team beim empirischen Arbeiten im Weg stehen. Hier einige der Herausforderungen, denen ich über die Jahre als Scrum Master mehrfach gegenüberstand und Tipps, wie du diesen begegnen kannst. 

Ich hoffe, meine Erfahrungen inspirieren dich, damit du dich auch morgen aufs Neue den Schwierigkeiten stellst, die eine Einführung von Scrum mit sich bringt.

Herausforderung #1: Das Daily Scrum dauert länger als 15 Minuten

Warum genau 15 Minuten? 

Das weiß ich auch nicht. Allerdings weiß ich, dass die Scrum Teams erfolgreicher sind, die es schaffen, in wenigen Minuten ein gemeinsames Verständnis darüber zu erlangen, welche Arbeiten sie zum Erreichen des Sprint-Ziels noch erledigen müssen. Zwei Einsichten haben mir in der Vergangenheit dabei geholfen, dies zu ermöglichen. 

  1. Schaut nach vorne. Als Scrum Master solltest du den Entwicklern helfen, sich auf die gemeinsame Arbeit zu fokussieren, die noch zu tun ist, um das Sprint-Ziel zu erreichen. 
  2. Im Wort „Team“ gibt es kein „I“. Als Scrum Master solltest du den Entwicklern helfen, zu planen, mit wem sie heute zusammenarbeiten wollen.

Meine bewährte Frage im Daily Scrum hierfür lautet: „Wer möchte heute mit wem an was arbeiten, damit wir bis zum Ende des Tages dem Sprint-Ziel ein Stück näher gekommen sind?“

Die Fokussierung auf ein Ziel dient im Scrum dazu, Fortschritte zu erzielen. Time Boxen, wie die 15 Minuten beim Daily Scrum, ermöglichen diesen Fokus.

Herausforderung #2: Das Scrum Team benötigt keinen Scrum Master

Die Aufgabe des Scrum Masters ist es, sich überflüssig zu machen. 

Dem kann ich zustimmen. 

Dass der Scrum Master jemals in einem Scrum Team wirklich überflüssig ist, halte ich für falsch.

Ein Scrum Master übernimmt im Scrum die Verantwortung dafür, dass die Perspektive auf Weiterentwicklung und empirisches Arbeiten niemals vernachlässigt wird. Sollte ein Team darin noch keinen Wert sehen, dann erzwinge das nicht. Klar, ein Scrum Team ohne Scrum Master ist kein Scrum Team, sondern bestenfalls ein Team. Darauf zu beharren, dass es der Scrum Guide so vorschreibt, wird dir allerdings nur in den wenigsten Fällen weiterhelfen. Drehe deshalb den Spieß um und warte, bis das Team auf dich zukommt. Erkläre deinen Teammitgliedern, wobei du sie unterstützen kannst und was deine Unterstützung ihnen ermöglichen wird. Und dann heißt es, sich in Geduld zu üben. Meiner Erfahrung nach wird dein Team auf dich zukommen, gib ihm nur etwas Zeit.

Geduld ist eine elementare Fähigkeit erfolgreicher Scrum Master, die nicht im Scrum Guide aufgelistet ist.

Herausforderung #3: Für das Scrum Team besteht Scrum nur aus Praktiken

User Storys, Story Points, Velocity, Akzeptanzkriterien, Daily-Stand-up und die drei Fragen im Daily Scrum haben alle eines gemeinsam: Sie sind kein Bestandteil von Scrum.

Natürlich können dies hilfreiche Praktiken sein, die das Scrum Rahmenwerk ergänzen. Allerdings besteht das Scrum Rahmenwerk nur aus 3 Artefakten, 5 Events, 3 Verantwortlichkeiten, 5 Werten und einigen Regeln, die alle zum Ziel haben, empirisches Arbeiten zu ermöglichen. Viele Teams setzen die Praktiken, die sie verwenden, mit Scrum gleich. Wenn aber die Praktiken als unumgängliche Regeln gesehen werden, beraubt es Teams der Möglichkeit, die Praktiken den aktuellen Problemstellungen anzupassen. 

Scrum Master haben die Aufgabe, dem Scrum Team zu helfen, die passenden Methoden und Praktiken für ihre Arbeit auszuwählen. Und dann von Zeit zu Zeit dem Team bei der Überprüfung, ob die gewählten Praktiken immer noch hilfreich sind, zu helfen. 

Wenn du deinem Team helfen willst, den Unterschied zwischen dem Rahmenwerk und den Praktiken zu ergründen, dann empfehle ich dir ein Scrum „Mythen- und Fakten-Quiz“. Indem du dem Team Aussagen wie „Das Product Backlog besteht nur aus User Storys“ präsentierst und die Teammitglieder begründen lässt, ob es sich um einen Mythos oder eine Tatsache handelt, hilfst du dem Team auf spielerische Weise zu lernen, welche Elemente Bestandteil von Scrum sind und welche nicht. Dies schafft die Grundlage, um die Dinge, die nicht zu Scrum gehören, zu hinterfragen und herauszufinden, ob sie wirklich hilfreich sind.

Scrum ist einfach. Es gewinnbringend einzusetzen ist jedoch schwierig. Dazu braucht es einen Scrum Master, der die Verantwortung dafür übernimmt. 

Herausforderung #4: Die Verständigung zwischen dem Scrum Team und anderen ist ineffektiv

Warum schreibt der Scrum Guide vor, dass Scrum Teams interdisziplinär sind?

Um das Risiko zu minimieren, am Ende des Sprints kein Inkrement zur Verfügung zu haben. Fertige Inkremente sind der einzige Weg, wie Scrum Teams bei unvorhersehbarer Arbeit das Risiko effektiv managen können. Interdisziplinarität ist eine wichtige Voraussetzung dafür, da sie Arbeitsabläufe beschleunigt. Wenn das Team an einem Product-Backlog-Eintrag arbeitet und diesen nicht mehr aus den Händen geben muss, da alle Fähigkeiten, die für die Fertigstellung nötig sind, bereits im Team vorhanden sind, ist dies ein Garant für schnelle Fertigstellung. 

So die Theorie. 

In der Praxis treffen Scrum Master diese Situation eher selten an.  

Für mich ist ein Scrum Master ein Risikomanager. Darin besteht sein Wert für die Organisation. Wenn für die Umsetzung eines Product-Backlog-Eintrags ein Design nötig ist, wenn die Arbeit zum Schluss getestet werden muss und wenn für ein Release eine Freigabe der QA nötig ist, aber Tester, UX-Designer und QA-Manager nicht Teil des Teams sind, dann muss dieser Umstand transparent gemacht werden. 

Das ist deine Aufgabe als Scrum Master. 

Du stellst Transparenz über die aktuellen Hindernisse und hilfst dem Team anschließend diese Hindernisse zu beseitigen. Immer mit dem Ziel, sicherzustellen, dass zum Ende des Sprints ein funktionierendes und nutzbares Inkrement zur Verfügung steht. Eine bewährte Möglichkeit, Abhängigkeiten zu anderen Personen transparent zu machen, besteht darin, ein Working-Agreement abzuschließen. Einen leichtgewichtigen Entwurf stellt die Beantwortung der folgenden Fragen dar:

  1. Warum arbeiten wir zusammen?
  2. Was erwarten wir voneinander?
  3. Wann können wir es erwarten?
  4. Wann überprüfen wir unsere Zusammenarbeit spätestens wieder?

Die gemeinsame Beantwortung dieser Fragen hilft sowohl die Abhängigkeit als auch die Zusammenarbeit transparent zu machen. 

Herausforderung #5: Ein Scrum Master ist Teil mehrerer Scrum Teams

Wie viele Scrum Teams sollte ein Scrum Master unterstützen?

Wenn wir den Scrum Wert Fokus zurate ziehen, muss unsere Antwort „eins“ lauten. Ein Scrum Team steht für ein Sprint-Ziel, für das sich der Scrum Master gemeinsam mit dem Team verpflichtet. Unterstützt ein Scrum Master gleichzeitig mehrere Teams, bedeutet dies, dass er auch mehrere Ziele verfolgt. Damit wäre der Zweck eines Sprint-Ziels im Falle des Scrum Masters ad absurdum geführt. Das Sprint-Ziel soll gerade als Entscheidungshilfe dienen, welche Arbeiten die höchste Priorität haben. 

Mich stellt diese Situation als Scrum Master immer vor die Fragen, welches Daily Scrum soll ich heute besuchen und was die Auswirkung davon, dass ich nur in jeder dritten Sprint-Retrospektive anwesend sein kann.

In der Vergangenheit habe ich mich immer dafür entschieden, das Team zu unterstützen, welches mich wohl am meisten benötigen wird. Gleichzeitig habe ich alles daran gesetzt, den Teams zu helfen, ihre Events eigenständig zu facilitieren. Konkret habe ich die meiste Arbeitszeit damit verbracht, Scrum-Master-Fähigkeiten in den Teams zu entwickeln.

Und das ist auch der Tipp, welchen ich dir in einer solchen Situation geben möchte. Nutze diese Chance, dein Wissen und deine Erfahrungen an andere weiterzugeben, denn darin besteht aus meiner Sicht der größte Hebel für das erfolgreiche Meistern dieser Situation. Begreife dieses Hindernis als Chance für deine Teams und um dich vom Scrum Master zum Scrum-Master-Mentor weiterzuentwickeln.

Gleichzeitig solltest du deinem Unternehmen gegenüber keine Toleranz dieser Situation zeigen.  

Tatsache ist und bleibt: Jedes Unternehmen, was daran interessiert ist, den vollen Wert aus ihren Scrum Teams zu ziehen, sollte pro Team einen Scrum Master einstellen.

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