Mehrere Teammitglieder heben die Hände zur Abstimmung

Vom Diskutieren zum Handeln: 4 Entscheidungsregeln, die jeder Scrum Master kennen sollte

Über Entscheidungen existieren viele Fehlvorstellungen:

  • Stille bedeutet Zustimmung.
  • Wenn ein Thema besprochen wurde, wurde auch eine Entscheidung getroffen.
  • Dot-Voting bedeutet, dass das Scrum-Team den Vorschlag mit den meisten Stimmen umsetzt.
  • Wenn die Zeit im Meeting abgelaufen ist, ist der letztgenannte Vorschlag der Vorschlag, den das Scrum-Team weiterverfolgt.

Aus diesen Fehlvorstellungen resultiert, dass sich häufig die Mitglieder im Scrum-Team nicht sicher sind, ob nun eine Entscheidung gefällt wurde oder nicht.

Deshalb solltest du dir als Scrum Master diese Frage stellen:

Was ist eine Entscheidung?

Wenn du nach einer Antwort googelst, wirst du viele Definition finden.

Leider sind die meisten so theoretisch, dass sie dir in deiner Arbeit im Team nicht helfen. Für mich hat sich deshalb diese sehr greifbare Definition bewährt:

Eine Entscheidung ist definitionsgemäß eine Auswahl aus mindestens zwei Optionen. Es wurde eine getroffen, wenn das Scrum-Team vom Diskutieren ins Handeln kommt.

Verwendest du diese Definition, dann siehst du, dass es sich bei den folgenden Beispielen um keine Entscheidungen handelt:

  • Das Scrum-Team diskutiert nach der Sprint-Retrospektive munter weiter, ob die Verbesserung wirklich sinnvoll ist oder nicht.
  • Der Product Owner informiert das Team, wie das Ziel für diesen Sprint lautet und alle Entwickler nicken 

Im ersten Beispiel hat das Scrum-Team die Schwellen vom Diskutieren, Analysieren und Abwägen hin zum Handeln noch nicht überschritten. Das zweite Beispiel, zeigt dir, wie wichtig es ist, dass mindestens zwei Optionen zur Auswahl stehen. Gibt es nur eine Option, dann würde ich nicht von einer Entscheidung sprechen, sondern eher von einer Schlussfolgerung.

Es wurde keine Wahl getroffen.

Warum ist es so wichtig, dass Scrum-Teams Entscheidungen treffen?

James Patterson, der erfolgreiche Bestseller-Autor, bringt es gut auf den Punkt: 

„Ergreife, was dir gegeben wurde. Triff kluge Entscheidungen. Triff Entscheidungen, denn das Leben ist eine vorübergehende Situation.“

Die Situation, in der sich dein Team befindet, ändert sich ständig. Und Scrum bedeutet im Wesentlichen: regelmäßig neu entscheiden. Das ist die Idee hinter den Sprints. Die Länge eines Sprints ist die maximale Zeit, die ein Scrum-Team nicht neu entscheidet, ob die eingeschlagene Richtung, die richtige ist.

Der Scrum-Guide hält dies unmissverständlich fest:

„Von einem Scrum-Team wird erwartet, dass es sich in dem Moment anpasst, in dem es durch Überprüfung etwas Neues lernt.“

Als Scrum Master bist du dafür verantwortlich, dass diese Anpassung passiert. Oder anders ausgedrückt, dass das Scrum-Team eine Entscheidung trifft!

Damit du dein Team dabei unterstützen kannst, solltest du diese vier Arten von Entscheidungen kennen und unterscheiden können:

  • Einzelentscheidung
  • Konsensentscheidung
  • Mehrheitsentscheidung
  • Konsententscheidung

Nun lass uns diese Entscheidungsregeln eine nach der anderen durchgehen:

Entscheidungsregel 1: Einzelentscheidung

Sie ist häufig die schnellste Form der Entscheidung.

Wenn der Product Owner über die Reihenfolge der Einträge im Product-Backlog entscheidet, dann sprechen wir von einer Einzelentscheidung. Es spielt hierbei keine Rolle, ob er vor der Entscheidung mit dem Scrum-Team spricht oder nicht. Der Nachteil bei einer Einzelentscheidung ist, dass das restliche Team vielleicht nicht hinter dieser Entscheidung steht und sie deshalb nur widerwillig umgesetzt wird. Diese Entscheidungsform eignet sich, wenn der Entscheider alle Informationen hat, um eine solche zu treffen, wenn wenig auf dem Spiel steht oder schnell gehandelt werden muss.

Eine interessante Variante der Einzelentscheidung ist es, eine Münze zu werfen.

Entscheidungsregel 2: Konsensentscheidung

Wenn alle Mitglieder im Team zustimmen, ist die Entscheidung getroffen.

Konsensentscheidungen können zu endlosen Diskussionen führen, aber wenn die Entscheidung getroffen wurde, stehen alle dahinter. Diese Form der Entscheidung eignet sich immer dann, wenn viel auf dem Spiel steht. Hierbei sollte bei der Abfrage, ob ein Konsens besteht, auf „Ja/Nein“-Fragen verzichtet werden. Sie können sehr unklar sein und Druck auf die Mitglieder im Team ausüben und so zu geringer Akzeptanz des Vorschlags führen.

Sam Kaner, der Autor des Buches „Facilitator’s Guide to Participatory Decision-Making“, schlägt deshalb vor, die Zustimmung mit „Fist of Five“ oder „Gradients of Agreement Scale“-Techniken zu prüfen.

Entscheidungsregel 3: Mehrheitsentscheidung

Der Mittelweg zwischen Einzel- und Konsensentscheidung sind Mehrheitsentscheide: Die Annahme des Vorschlags, dem mindestens 50 % der Teammitglieder zustimmen.

Mehrheitsentscheide sind langsamer als der Einzelentscheid, aber oft schneller als der Konsensentscheid. Wenn eine Entscheidung getroffen wurde, dann steht die Mehrheit im Team hinter dieser Entscheidung. Darin besteht gleichzeitig auch der größte Kritikpunkt hinter Mehrheitsentscheidungen. Es kann passieren, dass fast die Hälfte der Teammitglieder überstimmt wurde und sich somit eine große Opposition zur Entscheidung bildet.

Zur Herbeiführung von Mehrheitsentscheidungen eignen sich die Techniken „Römische Abstimmung“, anonyme Abstimmung oder Umfragen.

Entscheidungsregel 4: Konsententscheidung

Der Prozess der Konsentenscheidung ist radikal anders:

Es müssen nicht mehr alle oder ein Teil des Scrum-Teams zustimmen. Beim Konsent gilt eine Entscheidung als beschlossen, wenn es keinen Einwand mehr gibt. Nochmal: Es müssen nicht alle zustimmen, aber solange kein Einwand vorgetragen wird, bekennen sich alle Teammitglieder zu der getroffenen Entscheidung. Mit dieser Methode hat jedes Mitglied im Team die Möglichkeit, sich an der Entscheidungsfindung zu beteiligen, ohne dass es zu endlosen Diskussionen kommt oder Entscheidungen aus persönlichen Gründen oder Machtinteressen blockiert werden.

Diese Entscheidung eignet sich, wenn es wenig Zeit gibt oder eine akzeptable Lösung bereits ausreichend ist. Etwa bei der Definition des Sprint-Ziels oder der Entscheidung, ob eine Verbesserung der Retrospektive umgesetzt werden soll.

Welcher Entscheidungsregel folgt dein Team?

Jetzt kennst du die vier Arten, wie Entscheidungen getroffen werden können.

Als Nächstes könntest du sie deinem Scrum-Team in der nächsten Sprint-Retrospektive erklären und ihr haltet in euren Working-Agreements fest, in welcher Situation ihr im Moment wie entscheidet. Damit hilfst du deinem Team den Arbeitsprozess transparent zu machen und schaffst Möglichkeiten, Verbesserung zu finden.

Wenn du Fragen zu den vier Entscheidungsregeln hast, schreibe sie in die Kommentare. Ich freue mich über deine Rückmeldung!

Bis dahin, Scrum on!

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