Pascal im Neoprenanzug kurz vor dem Sprung in die Tiefe

Vetrauen und Leadership

Auf dem Titelbild dieses Beitrags kann mich dabei sehen, wie ich unmittelbar davor bin, mich aus etwa 5 m Höhe in ein Loch tosendes, brodelndes, 4 Grad kaltes Wasser zu stürzen. Ich war nie der große Sprung-Held. Ich habe es gehasst, in der Schule vom Dreimeterbrett springen zu müssen.

Nun hat mich ein Canyoning-Ausflug mit meiner 15-jährigen Tochter hier an den Rand des Schwarzwasserbachs gebracht. Für alle, die Canyoning nicht kennen: Dabei folgt man in einem Neoprenanzug einem Bachlauf, mit Klettern, Schwimmen, Abseilen oder eben Springen. Es ist mein erstes Mal. Und da stehe ich nun am Abgrund, schaue in die Tiefe. “Das sind definitiv mehr als 5 Meter!” Und der Guide sagt ganz ruhig: “Spring auf diesen Baum da hinten zu. Dann stimmt die Richtung.” Und ich bin gesprungen.

Warum erzähle ich davon? Nicht, um euch mit meinem Mut zu beeindrucken. Das war keine besondere Leistung. Auch meine Tochter und die anderen aus der Gruppe sind gesprungen. Nein, ich teile die Erfahrung, weil ich gesprungen bin, da ich Thomas, unserem Canyoning-Guide, vertraut habe.

Was ist Vertrauen?

Vertrauen ist etwas Eigenartiges. Wenn es da ist, tun wir Dinge, die wir sonst nie tun würden. Charles Feltman definiert in “The Thin Book of Trust” so;

„Vertrauen ist die Wahl, das Risiko einzugehen, dass etwas, das einem wichtig ist, durch die Handlungen einer anderen Person gefährdet wird.“ 

Charles Feltman

Und Misstrauen im Gegensatz dazu ist die Entscheidung, dass etwas mir Wichtiges nicht sicher ist bei dieser Person in dieser Situation (oder auch generell).

An besagtem Tag habe ich Thomas vertraut. Und zwar sehr. Denn das, was ich da potenziell in Gefahr sah, war immerhin mein Leben!

Woher kommt Vertrauen?

Wie kommt das? Ich habe Thomas vorher noch nie in meinem Leben gesehen. Wir kennen uns erst seit ein paar Stunden. Und in diesen Stunden ist auch nichts Großes, Beeindruckendes passiert, das dieses Gefühl ausgelöst hätte. Woher kam dann dieses Vertrauen? Ich wundere mich selbst ein wenig. Passiert sind eigentlich nur viele kleine Dinge:

  • Auf der Anfahrt hat mich Thomas angerufen und gesagt, dass es heute früh kräftig geregnet hat und die geplante Starzlachklamm zu gefährlich sei. Er hat einen Ausweich-Canyon vorgeschlagen. Toll! Sicherheit trumpft Plan.
  • Er hat eine Mail mit Details versprochen. Die kam rechtzeitig. Toll! Er tut, was er sagt.
  • Er war wie vereinbart am neuen Ort.
  • Er hat sich zuerst selbst in das Seil gehängt, in das wir uns hängen sollten. 
  • Wir sind vorher durch das 4 Grad kalte Wasser geschwommen, und es war zwar … frisch, besonders an den Händen, .. aber ok. 
  • Während der ganzen Zeit ist KEIN EINZIGES Mal etwas passiert, wo ich gedacht hätte: “Oh, der Thomas, der ist doch nicht so ok, wie ich bisher geglaubt habe.”

Es sind die vielen kleinen Erlebnisse, die Vertrauen schaffen!

Genau das beschreibt übrigens auch Brené Brown in “Daring Greatly”. Sie vergleicht es mit einem Murmelglas, das leer für eine neue und voll für eine vertrauensvolle Beziehung steht. Bei jedem kleinen vertrauensbildenden Erlebnis landet eine Murmel im Glas. Aber bei jedem Vertrauensbruch kommt eine Handvoll Murmeln wieder raus. Und dann merkt man. dass das Glas voll, das Vertrauen da ist.

Wie wichtig ist Vertrauen?

Wenn man diese Definition liest, wird einem sofort klar, warum bei uns so schnell alle Alarmglocken klingeln, wenn wir anfangen, über Vertrauen zu sprechen. Stell dir mal vor, jemand sagt zu dir: “Pascal, was mir wichtig ist, ist bei dir im Moment nicht sicher, oder eigentlich sogar nie sicher.” Wow, wäre das hart.

Und obwohl es so schwer fällt, darüber zu reden, ist Vertrauen trotzdem der Kit, der Teams und Organisationen zusammenhält und der Wow-Resultate entstehen lässt. Stephen M.R. Covey und Dough R. Conant, zwei Vordenker in Sachen Vertrauen und Leadership, schreiben in einem Harvard-Business-Review-Artikel, dass Vertrauen zwischen Managern und Belegschaft nicht nur die prägende Eigenschaft der besten Arbeitgeber sind, sondern auch, dass Firmen mit einem hohen Grad von Vertrauen den S&P 500 um den Faktor 3 schlagen. Sie schreiben, dass Vertrauen die eine Sache ist, die alles ändert. Ohne Vertrauen zerfällt alles. Mit Vertrauen ist alles möglich, und damit auch kontinuierliche Verbesserung und nachhaltiger messbarer, greifbarer Erfolg am Markt. Völlig zu unrecht wird Vertrauensbildung als weiche Sekundärkompetenz bezeichnet.

Wie kann man über Vertrauen sprechen?

Wenn also Vertrauen ein Must-Have ist und das Gespräch über Vertrauen für viele ein “Must-Avoid”, was dann?

Zunächst mal sind die vertrauensbildenden Gespräche meistens keine über Vertrauen, sondern beispielsweise über “Wie läuft es denn mit der Chemotherapie bei deiner Mutter?” (Wow, er hat sich gemerkt, dass darüber gesprochen haben.) oder “Ich habe viel darüber nachgedacht, was du da gesagt hat, und würde das gerne besser verstehen.” (Wow, sie hat meinen kleinen Hinweis wirklich gehört und ernst genommen.)

Andererseits muss man manchmal über Vertrauen sprechen, insbesondere, wenn ein Verhalten auftritt, das das eigene Vertrauen unterminiert. Wie macht man das am besten? Warten, bis Konsequenzen entstanden sind, ist nicht hilfreich. “Es tut mir leid, dass du bei der Beförderung nicht berücksichtigt wurdest, aber es gibt da ein Problem. Es fehlt uns an Vertrauen in dich.” BUUMMM!

Ich empfehle: Anstatt ganz allgemein über Vertrauen und fehlende Vertrauenswürdigkeit zu reden, insbesondere, wenn es schon zu spät ist, sprich lieber über ganz konkrete Verhaltensweisen, und zwar vorher:

 “Ich würde gerne mit dir darüber sprechen, dass mir Vertraulichkeit wichtig ist.” Oops.

“Wir reden hier oft über sehr vertrauliche Dinge, und ich habe noch nie ein Wörtchen davon anderen gegenüber erwähnt.”

“Das glaube ich dir. Aber du teilst öfters in Gesprächen Dinge mit mir, bei denen du es anderen überlassen solltest, sie mir zu erzählen.” 

Auch nicht einfach, aber besser als die erste Version. Es braucht Mut, ein solches Gespräch zu führen. Habe ich schon mal erwähnt, dass Leadership und Mut etwas miteinander zu tun haben? Solche Gespräche drehen sich um die Dinge, die du brauchst, um das Vertrauen zu enger, konstruktiver Zusammenarbeit zu haben. Dinge wie zu respektierende Grenzen, Verlässlichkeit, zu Dingen stehen, Vertraulichkeit, Integrität, vorschnelles Urteilen oder wohlwollende Interpretation meiner Handlungen. Sprich lieber darüber als über Vertrauen.

Und ja, das ist nicht einfach. Aber wie gesagt, ohne Vertrauen geht es nicht.

Zum Mitnehmen

Vertrauen ist essenziell. Vertrauen entsteht in vielen kleinen Schritten. Es geht immer eine Murmel rein, aber eine Handvoll raus. Wenn du über Vertrauen sprichst, tu es nicht zu spät und sei so konkret und respektvoll wie möglich. 

Welche Erfahrungen hast du mit dem Aufbau von Vertrauen gemacht? Was hätte ich noch erwähnen sollen? Bitte teile doch deine Sichtweise über einen Kommentar. Das würde mich sehr freuen.

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