Kanban und Arbeitsfluss Titelbild

Wie wir mit Kanban Workflow sichtbar machen und Verluste durch Überlast verhindern

Visualisierung: Der erste Schritt zur Verbesserung

In meinem Beitrag „Das Missverständnis der vollen Auslastung” ging es um den Irrtum vieler Unternehmen, Auftragsdruck auszugleichen, indem das Arbeitssystem mit zahlreichen Projekten fast vollständig ausgelastet wird.
Mit teils fatalen Folgen: Die Wartezeiten nicht beendeter Projekte erzeugen hohe Lagerkosten und das blockierte System wird unfähig, auf notwendige Anfragen in einer akzeptablen Zeit zu reagieren. 

Auch kontinuierliche Innovation hat in einem solchen Szenario keine Chance, erfolgreich umgesetzt zu werden.

Der Schlüssel zu einer besseren Performance in der Produktentwicklung liegt darin, das Gesamtsystem zu visualisieren, um echte Transparenz zu sichern.
Nur durch Transparenz und ein klares Verständnis des Workflows sowie der gemeinsamen Regeln und Standards wird es möglich, Probleme und Engpässe zu identifizieren und in der Folge gezielt anzugehen.

Ist dieser Schritt gelungen, ist dadurch die entscheidende Basis geschaffen für alle weiteren Ansatzpunkte zur Verbesserung, die nicht lokal optimieren, sondern das Gesamtergebnis verbessern.

Warum Transparenz und Visualisierung den Grundstein setzen für nachhaltige Erfolgssteigerung

Systemdenken fördern:
Die Visualisierung zeigt, welche Prozessschritte in einem Workflow erwartet werden, wie Arbeit durch das System fließt und wo Engpässe oder Störungen auftreten.

Als sehr simples Beispiel mag eine Sanduhr dienen. Die “Leistungsfähigkeit” der Sanduhr wird von ihrer engsten Stelle bestimmt.

Hand hält eine große Sanduhr, durch die der Sand rieselt. Im Hintergrund ist das Meer zu sehen.
Wie schnell der Sand durch die Sanduhr rieselt, hängt von ihrer engsten Stelle ab (F: Paula Guerreiro).

Zusammenhänge erkennen:
Teams und Führungskräfte können verstehen, wie einzelne Elemente des Systems miteinander verbunden sind und an welcher Stelle Optimierung wirklich Gewinn bringt.

Aufbauend auf der Visualisierung der Sanduhr können wir erkennen, dass außerhalb der engsten Stelle eine Veränderung/Verbesserung der Kapazität keinen Effekt haben wird – die Sandkörner werden in gleicher Geschwindigkeit wie vorher rieseln.

Grafik visualisiert den gestörten Arbeitsfluss bedingt durch mehr Kapazitäten vor der Engpasstelle.
Arbeitsfluss und Durchsatz werden durch mehr Kapazität vor der Engpassstelle negativ beeinflusst (Visualisierung nach der Grafik von T. Forte, fortelabs.co).

Prioritäten klären:
Eine klare Darstellung hilft, den Fokus auf die wichtigsten Aufgaben und Initiativen zu legen und die Prioritäten auch durchzuhalten.

Die Menge an gestarteter Arbeit muss sich zwangsläufig an der Menge Arbeit orientieren, die das System verlässt, da es ansonsten zu Warteschlangen, häufigen Taskwechseln und damit Produktivitäts-Verlusten kommt. Da der Engpass der bestimmende Faktor ist muss dieser auch Taktgeber für das Starten von Arbeit werden. Dieser externe Zwang kann dafür sorgen, dass reale Priorisierung auch wahrscheinlich wird. 

Mit Kanban können wir schädliche Überlastung sichtbar machen – und in der Folge verhindern und abbauen

Genau am Punkt der Transparenz über den Workflow im Gesamtsystem setzt Kanban an. Kanban wird oft mit Aufgaben-Boards und bunten Post-its assoziiert. Es ist jedoch ein Denkansatz und ein Werkzeug mit enormem Potenzial. Es schafft für Unternehmen eine Möglichkeit, ihre Produktentwicklungsprozesse zu überblicken, zu verstehen und kontinuierlich zu verbessern.

Wie Kanban hilft

1. Arbeitsfluss visualisieren:

Durch ein Kanban-Board werden Aufgaben, deren Status und der gesamte Workflow sichtbar. Teams und Führung sehen auf einen Blick, wo Arbeit ins Stocken gerät.

Gemaltes Kanban Board, visualisiert die Arbeitsmenge an verschiedenen Stationen im Arbeitsfluss.
Mithilfe eines Kanban-Bords lässt sich die Arbeitsmenge an verschiedenen Stationen im Arbeitsfluss visualisieren (Bild: F. Westermayr).

In diesem Beispiel sieht der kundige Kanban-Berater sofort, dass es einen Engpass an dem Punkt der Implementierung gibt: 4 Aufgaben in Arbeit, weitere 5 schon vor der Tür, nur 1 ist fertig.

Die harte Botschaft hier ist: Es hat keinen Sinn, weiter neue Themen zu analysieren, weil die Implementierung mit der Analyse-Geschwindigkeit nicht mithalten kann.

2. Work-in-Progress (WIP) begrenzen:

Indem parallele Aufgaben beschränkt werden, sinkt die Verschwendung durch Multitasking und Rüstzeiten.

Ein erster Schritt sollte jetzt sein, mittels eines WIP-Limit dafür zu sorgen, dass nicht mehr Aufgaben vor der Tür der Implementierung abgelegt werden, als realistischerweise fertiggestellt werden können.

3. Engpässe erkennen und lösen:

Kanban zeigt, wo das System überlastet ist, und ermöglicht gezielte Maßnahmen, um den Engpass zu entlasten.

Das WIP-Limit sorgt dafür, dass der Engpass „Implementierung” in Ruhe arbeiten kann und nicht dem Druck ausgesetzt ist, sich doch „das neue heiße Ding wenigstens schonmal anzusehen“. Immer daran denken: Eine gefundene Verbesserung am Engpass ist eine Verbesserung des Gesamt-Systems. 

4. Kontinuierliche Verbesserung fördern:

Mit Metriken wie Durchlaufzeit oder Durchsatz erhalten Unternehmen die Daten, die sie für iterative Verbesserung brauchen.

Wir haben in diesem Beispiel außerhalb des Engpasses, nämlich im Bereich der Analyse, freie Kapazität generiert. – Diese können wir nun nutzen, um möglichst viel Last vom Engpass zu nehmen, z.B. durch Optimierung:
Waren in der Vergangenheit unsere Analysen tief genug? Mussten wir im Test laufend Rückfragen an die Implementierung richten? Wie können wir unseren Prozess ansonsten verbessern? – Wohlgemerkt, ohne dass wir die Leistung unseres Systems beeinträchtigen! 

Nur die Fertig-Spalte zählt

Mit Kanban lernen Unternehmen, dass Produktivität nicht durch die maximale Auslastung aller Teams erreicht wird, sondern durch einen reibungslosen Arbeitsfluss, der sich auf wertschöpfende Ergebnisse konzentriert.

Indem sie sich vom Dogma der vollen Auslastung lösen, können sie:

– Entwicklungszeiten verkürzen,

– die Qualität ihrer Produkte steigern,

– die Flexibilität gegenüber Marktanforderungen erhöhen.

Dringlichkeit von Workflow-Transparenz erkennen, um langfristigen Erfolg zu sichern

Unternehmen müssen dringender denn je die Verantwortung annehmen, eingefahrene Denkmuster hinter sich zu lassen und ihre Produktentwicklung neu zu denken. Kanban ist dabei nicht nur ein Werkzeug, sondern ein Ansatz, der Organisationen hilft, Probleme an der Wurzel zu lösen und eine produktivere, flexiblere und qualitativ hochwertige Zukunft zu gestalten. 

Indem Unternehmen ihr Gesamtsystem visualisieren und die Prinzipien von Kanban nutzen, können sie den Grundstein für langfristigen Erfolg legen.

Zertifizierungstrainings zu den Themen Systemauslastung und Workflow mit Kanban-Trainer Daniel Westermayr

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