Vom Junior zum Experten: Wie du einen Mentor findest, der dich bei deiner Entwicklung als Scrum Master unterstützt
Über die Jahre habe ich viele Mentoren gefunden.
Wenn ich zurückblicke, dann sind diese Beziehungen das Geheimnis meiner Weiterentwicklung als Scrum Master und jetzt als Professional Scrum Trainer.
Da ich in letzter Zeit häufig Fragen erhalte wie:
„Ich bin der einzige Scrum Master im Unternehmen, wie finde ich Unterstützung?“, „Wo finde ich Scrum Master, die ich mir zum Vorbild nehmen kann?“ oder „Simon, ich möchte auch Scrum Trainer werden, kannst du mir helfen?“, habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich über die Jahre Mentoren gefunden habe und wie ich jetzt anderen ein Mentor bin.
Hier sind die wichtigsten sechs Schritte, die dir helfen, einen Scrum-Mentor zu finden:
Schritt 1: Verzweifle nicht, wenn du einen Scrum-Experten suchst
Das ist der Fehler, den jeder macht.
Wenn du als Scrum Master jemanden suchst, der sein Wissen und seine Erfahrung mit dir teilt, solltest du dich nicht darauf versteifen, DEN Experten in Scrum zu finden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Dr. Jeff Sutherland oder Ken Schwaber Zeit für dich haben werden. Allerdings ist das nicht schlimm, denn du brauchst diese Personen nicht, wenn du jemanden suchst, der dir zeigt, wie du dich weiterentwickeln kannst.
Die Wahrheit ist doch:
Wenn noch keine Stakeholder das Sprint Review deines Teams besucht haben und du nicht weißt, wie du das ändern sollst, musst du nur jemanden finden, zu dem viele Stakeholder in das Sprint Review kommen. Wenn du bisher Scrum Master eines einzigen Teams warst und jetzt zwei Teams unterstützen sollst, musst du nur jemanden finden, der das schon erlebt hat. Wenn dein Team derzeit großen Wert auf Story-Point-Schätzungen legt, du aber lieber auf einen flussbasierten Ansatz umsteigen möchtest, musst du nur jemanden finden, der diesen Wechsel bereits vollzogen hat.
Alles, was du benötigst, ist jemand, der dir einen Schritt voraus ist. Diese Person kann dein Mentor sein.
Schritt 2: Fange an, jeden in deiner Umgebung als Mentor zu sehen
Wenn du den ersten Schritt verinnerlicht hast, ändert sich deine Situation.
Plötzlich kannst du überall Mentoren finden:
- Der Scrum Master aus dem Nachbarteam, der schon ein oder zwei Jahre länger Scrum Master ist, könnte dein neuer Mentor sein.
- Der Scrum Master, den du letztes Jahr auf einer Scrum-Konferenz kennengelernt hast und der dir erzählte, dass er vor der Herausforderung steht, mehrere Teams gleichzeitig zu unterstützen, könnte dein neuer Mentor sein.
- Der Scrum Master, den du auf einem Online-Meet-up kennengelernt hast und dessen Vortrag darüber handelte, wie Scrum mit Kanban erfolgreich zusammen verwendet werden kann, könnte dein neuer Mentor sein.
Diese Scrum Master könnten alle Mentoren für dich sein.
Schritt 3: Stelle deinem Mentor eine konkrete Frage
„Willst du mein Mentor fürs Leben sein?“
Bitte stelle nicht diese Frage, damit machst du dich lächerlich. Mentorenschaft ist keine formelle Vereinbarung, die ein Leben lang halten muss wie eine Ehe.
Der Schlüssel zu einer erfolgversprechenden Mentoren-Mentee-Beziehung ist es, eine erste Frage zu stellen. Nun warte ab, ob dein potenzieller Mentor Lust hat, dir diese Frage zu beantworten und dir einen Rat zu geben.
Mache es deinem potenziellen Mentor einfach, dir einen Rat zu geben. Stelle eine konkrete Frage. Nicht: „Wie kann ich Scrum Trainer werden?“, sondern zum Beispiel: „Ich habe bereits die PSM-2-Prüfung mit 93 % bestanden, mein Ziel ist es, auch Scrum Trainer zu werden. Was sollte ich als Nächstes tun, um erste Trainererfahrungen zu sammeln?“
Eine weitere konkrete Anfrage, die ich gerne beantwortet habe, findest du im Bild:
Je konkreter deine Frage, desto mehr zeigst du deinem potenziellen Mentor, dass es dir wirklich ernst ist und du dich schon lange mit dem Thema beschäftigst.
Schritt 4: Höre zu, was dein Mentor zu erzählen hat
Wenn die Person deine Frage beantwortet und dir einen Ratschlag gibt, dann – herzlichen Glückwunsch – hast du deinen Mentor gefunden!
Die erste große Hürde hast du damit überwunden. Die zweite wartet noch auf dich:
- Jetzt nimmst du seinen Rat an.
- Du setzt ihn in die Tat um.
- Anschließend gehst du zurück und stellst ihm eine weitere Frage.
Bitte lies dir die letzten drei Zeilen noch mal in Ruhe Wort für Wort durch. Das Wort „aber“ kommt nicht vor! Für die meisten Menschen ist der zweite Schritt eine unüberwindbare Hürde. Nachdem ihnen ein Rat gegeben wurde, erwidern sie: „Aber …“ Und oftmals geben sie dann Gründe an, warum die Lösung gerade in ihrer speziellen Situation nicht funktioniert, ohne sie überhaupt auszuprobieren.
Ich höre auf, meinem Mentee Ratschläge zu geben, wenn ich das Gefühl habe, dass die Person meinen Rat nicht in die Tat umsetzt.
Für mich stellt sich dann immer die Frage: „Warum sollte man jemandem etwas beibringen wollen, der schon alle Antworten kennt?“
Höre zu, was dein Mentor zu erzählen hat!
Wenn du jemanden gefunden hast, der so großzügig ist, sein Wissen mit dir zu teilen, ist es deine Pflicht, die Beziehung zu würdigen. Du tust das, indem du das Wissen umsetzt und damit beweist, dass seine Zeit nicht verschwendet war.
Schritt 5: Echte Mentorenschaft ist für beide Seiten wertvoll
Als Mentor möchte ich mein Wissen über Scrum mit anderen Scrum-Begeisterten teilen. Ich freue mich, wenn sie aufmerksam zuhören und meine Einsichten anwenden.
Und warum?
Weil es mir eine „zweite Chance“ gibt! Ich kann meinen Weg noch einmal gehen, nur diesmal weiß ich Dinge, die ich früher nicht gewusst habe:
- Ich habe herausgefunden, dass der Schlüssel, um Stakeholder für das Sprint Review zu begeistern, darin liegt, ihnen die Informationen zu geben, die sie benötigen, um verlässliche Aussagen gegenüber ihren Kunden zu treffen.
- Ich habe erfahren, dass ich als Scrum Master meine Arbeitsweise grundlegend überdenken muss, wenn ich mit drei statt mit einem Team arbeite.
- Ich weiß, wozu es führen kann, wenn Scrum Teams immer mehr Zeit in genauere Schätzungen investieren und schließlich nicht mehr in T-Shirt-Größen schätzen, sondern wieder in Tagen und Stunden, um die Schätzungen noch genauer zu machen.
Die Möglichkeit, diese Situationen noch einmal zu durchleben – darin besteht für mich der Wert in der Mentor-Mentee-Beziehung.
Schritt 6: Mentoren wollen sehen, dass du in dich selbst investierst
Was unterscheidet einen Mentor von einem Investor?
Ein Investor möchte sehen, dass das Unternehmen läuft, bevor er investiert! Gleiches gilt für Mentoren. Bekanntlich ist Zeit gleich Geld.
Viele Scrum Master wünschen sich Mentoren, noch bevor sie selbst den ersten Schritt gegangen sind.
Das funktioniert so nicht.
Als Mentor möchte ich sehen, dass es dir ernst ist, bevor ich auch meine Zeit investiere. Mir ist wichtig, dass du an dich glaubst und bereit bist, an dir zu arbeiten. Du beweist das, indem du die ersten Schritte selbst gehst und dann erst Fragen stellst.
Wenn du auf der Suche nach einem Mentor bist, dann stelle dich Herausforderungen und versuche, sie zu lösen. Dabei werden Fragen entstehen. Schau dich nach Scrum Mastern um, die einen Schritt vor dir sind. Stelle ihnen eine Frage. Wenn sie dir einen Rat geben, setze ihn um. Lerne. Stelle ihnen eine weitere Frage. Wenn sie dir einen Rat geben, setze ihn um. Lerne. Und wiederhole dies immer wieder …
Wiederholst du diese Schritte über Jahre hinweg mit einer Person, dann entsteht eine echte Mentorenbeziehung.
Tipp: Wenn du nach Möglichkeiten suchst, erfahrene Scrum Master zu treffen, dann schau dich nach agilen Events und Veranstaltungen in deiner Nähe um. Vielerorts gibt es regelmäßig User Groups, Hackathons oder Open Spaces wie die Agile Lean Munich oder die Agile Lean Karlsruhe, die einen offenen und spontanen Austausch ermöglichen.
Die Chancen stehen gut, hier einen Scrum Master zu treffen, der dir einen Schritt voraus ist.