Handschlag vor weißer Wand

Die 3 schlimmsten Fehler mit Working-Agreements – und wie Scrum Master diese für immer vermeiden

Unternehmen erwarten von Scrum Mastern, dass sie eine Kultur erschaffen, die von gegenseitigem Respekt geprägt ist.

Deshalb ist Respekt ein zentraler Wert von Scrum-Teams. Eine einfache Möglichkeit für Scrum Master, gegenseitigen Respekt im Team zu fördern, sind Working-Agreements. So einfach die Erstellung von Working-Agreements ist, so einfach ist es auch, dabei Fehler zu machen. Fehler, die dazu führen, dass

  • sich Teammitglieder wie Einzelkämpfer verhalten, da ihnen nicht klar ist, was sie von einer Zusammenarbeit erwarten können.
  • die Teammitglieder in der Sprint-Retrospektive keine wirksamen Verbesserungen finden.
  • es ewig dauert, bis neue Teammitglieder produktiv im Team mitarbeiten können.

Scrum Master übernehmen die Verantwortung, dass diese Dinge in ihrem Team nicht passieren. Wenn du bereit bist, diese Verantwortung zu übernehmen, dann nimm dir fünf Minuten Zeit und lies weiter. Ich verrate dir die häufigsten Fehler mit Working-Agreements und gebe dir konkrete Tipps, wie du sie verhinderst.

Handschlag vor einer weißen Wand.
Working-Agreements in Scrum-Teams haben sehr großen Wert, wenn sie sinnvoll gewählt werden (Foto: Chris Liverani, Unsplash).

Fehler 1: Die Vereinbarungen beschreiben kein Verhalten

Schlechte Working-Agreements enthalten Aussagen, wie:

  • „Wir vertrauen uns.“
  • „Wir sind offen.“
  • „Wir respektieren uns.“

Diese Aussagen sind abstrakt und werfen viele weitere Fragen auf: Wie muss ich mich verhalten, damit die anderen Teammitglieder mir vertrauen? Was bedeutet es, „offen“ zu sein? Ist es respektvoll, wenn ich meine Meinung äußere? Zeugt es nicht auch von Respekt, in bestimmten Situationen meine Meinung nicht zu sagen? Wie soll ich mich als Teammitglied genau verhalten, um diesen Normen zu entsprechen?

Working-Agreements, welche diese Fragen unbeantwortet lassen, sind nutzlos. Sie enthalten bedeutungslose Phrasen. Was zugleich ein häufiger Fehler in Working-Agreements ist.

Gute Working-Agreements hingegen beschreiben wünschenswertes Verhalten in der Zusammenarbeit. Sie halten das Verhalten fest, welches den Mitgliedern im Team etwas bedeutet. Darin besteht das Geheimnis bedeutungsvoller Arbeitsvereinbarungen. Wenn dein Team aktuell Working-Agreements wie: „Wir vertrauen uns.“, verwendet, dann hilf ihm daraus bedeutungsvolle Vereinbarungen zu erstellen. Dazu braucht es zwei Zutaten: Zum einen müssen die Working-Agreements spezifisch sein. Zum anderen müssen sie beobachtbares Verhalten beschreiben. Für ein Beispiel betrachte die unspezifische „Wir respektieren uns“-Aussage. Eine spezifische Vereinbarung, welche auch tatsächlich ein beobachtbares Verhalten beschreibt, könnte dann lauten: „Wir unterbrechen uns nicht, sondern lassen einander ausreden.“

Scrum-Teams begehen den Fehler, ihre Arbeitsvereinbarungen sehr vage zu formulieren. Wie du an diesem einfachen Beispiel gesehen hast, ist es einfach, diesen Fehler zu vermeiden. Setze dich mit deinem Team zusammen und stellt euch bei jeder Regel eurer aktuellen Arbeitsvereinbarung die Frage: „Wenn jemand diese Regel befolgt, welches Verhalten könnten wir dann bei ihm beobachten?“ Als Scrum Master hilfst du deinem Team diesen Fehler zu vermeiden und wünschenswertes Verhalten wirklich konkret zu machen. Konkretheit schafft Klarheit und Klarheit schafft Transparenz. Und Transparenz zu schaffen, ist die Aufgabe jedes Scrum Masters.

Fehler 2: Die Working-Agreements werden nicht beachtet

Im Jahre 1960 parkte Philip Zimbardo ein in die Jahre gekommenes Auto im New Yorker Stadtteil Bronx. Er öffnete die Motorhaube, demontierte das Nummernschild und ging.

Nach zehn Minuten begannen die New Yorker damit, das Auto auszuschlachten. Bereits nach nur einem Tag waren alle verwertbaren Teile gestohlen. Darauf folgte die sinnlose Verwüstung des Autowracks. Dann stellte er ein ähnlich präpariertes Auto in Palo Alto im Bundesstaat Kalifornien ab. Es geschah nichts. Ganz im Gegenteil: Ein besorgter Passant schloss die offen stehende Motorhaube.

Der Psychologieprofessor Zimbardo schloss daraus, dass die Vorbeschädigungen eines Objekts Diebstahl und weiteren Vandalismus nach sich ziehen. Allerdings nur, wenn das soziale Umfeld bereits Schäden aufweist, was in verwahrlosten Teilen von Städten der Fall ist. Auf diesem Experiment fußt die Broken-Window-Theorie. Sie attestiert einen Zusammenhang zwischen dem Verfall von Stadtgebieten und Kriminalität.

Um diesem Phänomen entgegenzuwirken, wendet die Polizei die sogenannte Strategie der Null-Toleranz an. Die Polizei schreitet bereits bei kleinen Ordnungsverstößen konsequent ein, um schlimmere Auswüchse zu verhindern.

Das ,Broken-Window-Syndrom’ gilt auch für Working-Agreements:

Wenn wir ehrlich sind, ist es doch so: Werden Working-Agreements gebrochen, dann existieren die Vereinbarungen nicht mehr wirklich. Die Regeln mögen vielleicht irgendwo an der Wand auf einem Plakat stehen, aber mehr auch nicht. Und das Broken-Window-Syndrom nimmt ungehindert seinen Lauf.

Wie kannst du deinem Team helfen, dass es nicht auch Opfer der Broken-Window-Krankheit wird?

Indem du deinem Team die Anekdote von Philip Zimbardo erzählst und die wichtigste Vereinbarung jedes Working-Agreements zu eurer Arbeitsvereinbarung hinzufügst: „Wenn jemand bemerkt, dass sich ein anderes Teammitglied nicht an unsere Agreements hält, muss er es sofort darauf ansprechen.“ Nur wenn die Teammitglieder die Verletzung früh ansprechen, besteht die Möglichkeit, die Verletzungen zu heilen.

Scrum-Teams begehen schnell den Fehler, das Broken-Window-Syndrom zu ignorieren, da es unangenehm ist, Regelverstöße anzusprechen. Als Scrum Master kannst du deinem Team helfen, diesen Fehler zu vermeiden, indem du eine Strategie der Null-Toleranz verfolgst.

Fehler 3: Die Vereinbarungen werden nicht überarbeitet

Wann sollten Working-Agreements erstellt werden?

Wir sind uns einig, dass ein neues Team unbedingt Working-Agreements erarbeiten muss. Die Teammitglieder kennen sich noch nicht, sie wissen nicht, wie sie erfolgreich zusammenarbeiten können. Um diesen Erfolg zu ermöglichen, braucht es Regeln, die eine Richtung für die Zusammenarbeit vorgeben. Viele assoziieren mit dem Wort „Regel“ eine Beschränkung, allerdings übersehen sie, dass Beschränkungen auch Verbindungen schaffen. Das ist eine zentrale Eigenschaft von Beschränkungen, dass sie gleichzeitig einige Möglichkeiten einschränken und andere eröffnen.

Diese Beschränkungen gilt es, so früh wie möglich zu etablieren. Im Kern verwenden Scrum Master Working-Agreements doch, um aus einer Ansammlung von hervorragenden Einzelpersonen ein erfolgreiches Team zu machen.

Laut dem Phasenmodell von Bruce Tuckman findet Teamentwicklung dabei in 5 Phasen statt:

  • Forming: Das Team kommt zum ersten Mal zusammen. Die Teammitglieder lernen sich kennen.
  • Storming: Viele Unklarheiten über die Rollenverteilung und Aufgabenzuordnung im Team führen zu Konflikten und Frust.
  • Norming: Damit die Zusammenarbeit produktiv ist, werden Rollen konsolidiert, ein Working-Agreement erarbeitet und gemeinsame Regeln aufgestellt.
  • Performing: Das Team organisiert sich selbst. Alle Aufgaben werden zügig erledigt.
  • Adjourning: Teams existieren nicht für immer. Wenn etwa das Projekt abgeschlossen ist, löst sich das Team auf.

Glauben wir Tuckman, dann sollten Teams ihre Working-Agreements also in der „Norming“-Phase erstellen.

Unerfahrene Scrum Master belassen es dabei und begehen damit einen riesigen Fehler:

Sie gehen davon aus, dass Teamentwicklung statisch ist. Die Entwicklung geschieht in getrennten Phasen. Erst, wenn eine Phase abgeschlossen ist, kann die nächste beginnen.

Dem ist nicht so!

Ich beleuchte dies im „Professional Scrum Master (PSM)“-Training mit der Frage: „Werden neue Mitglieder in das Team aufgenommen, handelt es sich dann um ein neues Team?“ Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Ein erfolgreicher Scrum Master wendet das Tuckman-Teammodell nicht nur einmal für das gesamte Team an, sondern auch für die einzelnen Teammitglieder. Wird jemand Neues ins Team aufgenommen, befindet es sich mit Sicherheit in der „Forming“-Phase.

Fazit: Working-Agreements regelmäßig neu betrachten

Scrum-Teams sollten nicht den Fehler begehen, Teamentwicklung als statisches Vorgehen zu begreifen. Als Scrum Master solltest du regelmäßig mit deinem Team die Working-Agreements durchgehen und überarbeiten. Die beste Möglichkeit hierfür bietet die Sprint-Retrospektive.

Die erfolgreiche Verwendung von Working-Agreements birgt das Potenzial, dass Teams den Scrum-Wert Respekt leben.

Wenn du Techniken lernen willst, wie du die Erarbeitung von Working-Agreements moderierst, dann empfehle ich dir das „Professional Scrum Facilitation Skills (PSFS)“-Training. Ein interaktiver Workshop für Scrum Master, die durch die Weiterentwicklung ihrer Facilitation-Fertigkeiten den Teamerfolg maßgeblich mitgestalten.

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