Überblick: Die 12 Haltungen eines Product Owners
Vielen Scrum-Anwendern sind die unterschiedlichen Haltungen bekannt, die ein Scrum Master einnehmen kann.
Die Haltungen eines Product Owners sind ihnen aber gänzlich unbekannt. Das ist nicht nur bedauerlich, sondern kann auch den Erfolg eines Scrum Teams limitieren. Denn der Product Owner übernimmt eine entscheidende Verantwortung in erfolgreichen Scrum Teams. Der Scrum Guide beschreibt ihn als die eine Person (kein Komitee), die den Wert des Produkts maximiert. Wie diese Verantwortung gelebt wird, unterscheidet sich je nach Unternehmen, Produkt und Scrum Team.
In diesem Artikel gebe ich einen Überblick über die Haltungen, die Product Owner je nach Situation einnehmen können. Diese Haltung lehre ich auch bereits erfahrenen Product Ownern in meinen fortgeschrittenen Professional Scrum Product Owner Kursen. Wir unterscheiden dabei zwischen bevorzugten und missverstandenen Haltungen.
Beginnen wir mit den missverstandenen Haltungen. Wir bezeichnen sie als falsch verstanden, da sie zu mechanischem Scrum oder erfolgloser Produktentwicklung führen können.
Der Story Writer
Jeder hat ihn schon erlebt: Gekrümmter Rücken, die Augen kleben am Bildschirm, kleine Schriftgröße und er füllt ein 14-stufiges Template in Jira aus. Er sieht seine Arbeit darin, User Storys mit detaillierten Akzeptanzkriterien zu schreiben. Diskussionen zwischen ihm und den Entwicklern und Stakeholdern führen entweder zu einer Aktualisierung des Tickets oder einem: „Die Details stehen im Ticket.“
Dieser Product Owner hat große Ähnlichkeit mit einem Business Analysten.
Der Projektmanager
Dieser Product Owner ist der Inbegriff eines guten Projektmanagers. Er kann dir erstaunliche Diagramme und Zeitpläne in Jira zeigen, er weiß alles über Velocity, Vorhersagbarkeit und die Maximierung des Outputs. Sein Hauptaugenmerk liegt stets darauf, alle Funktionen wie beauftragt zu liefern.
Am Ende des Tages geht es ihm darum, dass jeder im Team beschäftigt und zu 100 % ausgelastet ist.
Der Fachexperte
„Ich erkläre dir, wie es funktioniert.“
Dieser Product Owner ist der Fachexperte, ein erfahrener Benutzer, Architekt, Designer oder eine andere Person mit umfassendem Fachwissen auf ihrem Gebiet. Er kennt alle Details und jeden Fehler in der Software und glaubt, dass er deshalb nicht mit den Nutzern oder Kunden sprechen muss, um herauszufinden, welche neuen Funktionen sie begeistern würden.
Der Kellner
„Klar, das können wir zum Backlog hinzufügen.“
Es sind diese Worte, die wir so oft hören, die den Product Owner vom Typ Kellner charakterisieren. Wie ein guter Kellner im Restaurant versucht er alle zufriedenzustellen: den Kunden, die Stakeholder, die Entwickler und die Anwender. Er trifft jedoch weder Entscheidungen, noch kann er eine mögliche Zukunft in Form einer Vision für das Produkt aufzeigen. Dadurch gleicht das Product Backlog einer endlosen Wunschliste.
Der Torwächter
„Hör mal, ich habe jetzt keine Zeit dafür. Bitte lies einfach meine E-Mail von gestern und wähle dann die passenden Dinge aus dem Product Backlog aus. Gib mir anschließend Bescheid, wenn der erste Eintrag fertig ist, damit ich das Ergebnis absegnen kann, okay?“
Der Torwächter ist die einzige Verbindung zwischen dem Scrum Team und der Außenwelt. Er blockiert alle Kontakte zwischen Entwicklern und Stakeholdern und die gesamte Kommunikation muss durch ihn laufen. Er ist eine wichtige Person im Unternehmen, hat somit nur wenig Zeit für das Team, gleichzeitig möchte er aber alle Anforderungen erfüllen.
Der Manager
„Macht dir die Arbeit heute Spaß, ist sie spannend und innovativ? Wie geht es dir heute? Fühlen wir uns alle wohl? Wie beurteilen wir unsere heutige Leistung?“
Dieser Product Owner sieht sich mehr in der Rolle einer Führungskraft. Er führt in der Regel viele Einzelgespräche mit jedem Teammitglied. Im Allgemeinen ist dagegen nichts einzuwenden, nur sollte das eben nicht das Hauptaugenmerk eines Product Owners sein, sondern er sollte sich vorrangig mit der Verwaltung des Product Backlogs beschäftigen.
Nachdem wir uns sechs der gängigen Fehlinterpretationen der Product-Owner-Rolle angesehen haben, schauen wir uns nun die bevorzugten Haltungen an.
Der Visionär
Dieser Product Owner verkörpert die Produktvision. Er kommuniziert die Strategie, die Geschäftsziele und die aktuelle Zielsetzung des Teams an alle relevanten Parteien. Ein visionärer Product Owner neigt dazu, sich auf die Zukunft zu konzentrieren, den Status quo zu verändern und den Menschen zu helfen, das zu sehen, was sein könnte, statt dem, was zum jetzigen Zeitpunkt ist.
Der Kollaborateur
Den Kollaborateur zeichnet aus, dass er sich auf die verschiedenen Stakeholder und das Scrum Team einlässt und eng mit ihnen zusammenarbeitet. Ein kollaborativer Product Owner neigt dazu, Menschen in ihrem eigenen Entdeckungsprozess zu unterstützen, ob es nun um die Definition von Zielen, die Klärung von Product-Backlog-Einträgen oder die Analyse von Kundenbedürfnissen geht.
Als Kollaborateur sucht dieser Product Owner nach Anregungen, Ideen, Meinungen und Feedback von anderen Menschen.
Der Kundenbetreuer
Er konzentriert sich darauf, den Entwicklern im Team zu helfen, zu verstehen, was die Kunden benötigen, was ihre Herausforderungen sind, welche Schmerzen sie haben, und welche Vorteile sie aus der Verwendung des Produkts ziehen. Als Product Owner neigt er dazu, zu erklären, wie sich die Arbeit des Teams auf Kunden, Benutzer und Geschäftsprozesse auswirkt.
Dem Kundenbetreuer-Product-Owner geht es darum, die Welt aus den Augen der Nutzer zu sehen.
Der Entscheider
In der Produktentwicklung müssen täglich alle Arten von Entscheidungen getroffen werden. Einige können an das Scrum Team oder die Stakeholder delegiert werden, andere muss der Product Owner selbst treffen. Indem er, wenn nötig, schnell Entscheidungen trifft, hilft er dem Scrum Team die Time-to-Market kurzzuhalten und fördert somit die Agilität des ganzen Unternehmens.
Am Ende des Tages hängt der Erfolg eines Produkts stark davon ab, wie gut der Product Owner Entscheidungen trifft.
Der Experimentierer
Dieser Product Owner stellt eine Hypothese auf, beschreibt, was wir wissen und was wir nicht wissen, und testet seine Annahmen mit Experimenten. Er betrachtet einen Großteil seiner Arbeit als Experimente und nicht als „feststehende“ Arbeitspakete, die abgearbeitet werden müssen.
Der Experimentierer versteht die Notwendigkeit, neue Dinge auszuprobieren und zu erforschen, um das Risiko in der Produktentwicklung zu minimieren. Ihm geht es dabei nicht nur darum, neue Features zum Produkt hinzuzufügen, sondern auch zu validieren, ob die bestehenden Features Wert liefern.
Der Influencer
Er hilft den Stakeholdern, sich auf die Produktvision, die Strategie und die Ziele auszurichten. Die Beeinflussung der Stakeholder und des Scrum Teams ist eine schwierige, aber notwendige Aufgabe. Dazu nutzt der Influencer effektive Kommunikations- und Verhandlungstechniken, um Menschen für seine Sache zu gewinnen.
Nun kennst du die Haltungen, die Product Owner ausmachen. In welchen findest du dich selbst wieder oder welchen bist du schon begegnet?
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