Warum wir auch an gescheiterten Projekten festhalten, obwohl dies keinen Sinn ergibt und 4 Lösungen, um diese Fehler zu vermeiden

Das “Wir haben schon so viel Zeit und Geld investiert, wir können jetzt damit nicht aufhören” Problem 

 

Bei einem vorherigen Arbeitgeber untersuchte ich vor einigen Jahren ein Projekt. Das Projekt lief inzwischen seit Monaten, jedoch ohne großen Erfolg. Ich schlug vor, das Projekt zu stoppen. Ich wurde unterbrochen mit den Worten: 

“Wir haben bereits so viel Geld ausgegeben! Wenn wir das Projekt  jetzt stoppen, war alles umsonst!”. 

 

Kennst du das in deinem Kontext auch?

Vor ein paar Wochen habe ich mich mit einer älteren Person über Geld unterhalten. Sie hatte sich von ihrem Berater der ortsansässigen Bank davon überzeugen lassen, dass Aktien für sie perfekt seien. Nach kurzer Zeit ärgerte sie sich, dass der Aktienkurs viel. Falls du auch schon einmal in Wertpapiere investiert hast, wirst du diese Zwickmühle kennen. 

“Wenn ich jetzt verkaufe, dann war der Einsatz für umsonst! Ich warte bis der Kurs sich wieder erholt hat.” 

Leider unterliegen wir hier zwei Denkfehlern, welche als Sunk Cost Fallacy und Rückschaufehler bekannt sind. Beide beruhen auf unserer aktuellen Interpretation der Welt. Der Witz hierbei: Je mehr Geld und Zeit man “verloren” hat, desto stärker hält man an bestimmten Dingen fest. Doch woher kommt dieses irrationale Verhalten?

 

Was passiert in solchen Momenten in unserem Kopf

Jede Entscheidung, ob privat oder beruflich, geschieht stets unter Unsicherheit. 

Unser Gehirn ist ein sinnstiftendes Organ. Sobald ein unvorhergesehenes Ereignis eintritt, korrigieren wir unsere Sicht auf die Welt, sodass diese Überraschung in unser Weltbild passt. Aus evolutionärer Sicht ist es sinnvoll, aus Überraschungen zu lernen, jedoch kann dies gefährliche Konsequenzen haben. Heutzutage mangelt es uns an der Fähigkeit, vergangene Wissenszustände oder Überzeugungen, die sich gewandelt haben, zu rekonstruieren. Sobald das neue Weltbild wirksam ist, verliert man sehr schnell die Fähigkeit, sich an die Dinge zu erinnern, was man glaubte, ehe man seine Einstellung änderte. Zahlreiche Studien belegen, dass Menschen kaum glauben können, was sie einmal dachten. Deshalb unterschätzen wir das Ausmaß, in dem wir durch vergangene Ereignisse überrascht wurden.  

Führungskräfte lieben es, konsistent zu sein – mit teils fatalen Folgen!

Mit Konsistenz wollen wir häufig Glaubhaftigkeit vermitteln. Widersprüche mögen wir nicht. Wenn wir uns bspw. dafür entscheiden, ein Projekt in der Mitte abzubrechen, generieren wir Widerspruch. (Wir geben zu, dass früher anders gedacht wurde als heute). Häufig befürchten wir, unser Gesicht zu verlieren, wenn wir diese Dinge eingestehen würden. Häufig beobachtet man dies auch bei Entscheidungsträgern. Lieber die Konsistenz wahren, anstatt die sinnvolle Entscheidung zu treffen, das Projekt / Event / etc. abzubrechen. 

Wie konkret äußern sich die Denkfehler in Scrum?

Bei meinem letzten Kunden beobachtete ich ein Scrum Team. Das Team war mitten im Sprint Planning und tat sich schwer damit, einen geeigneten Plan zu erstellen und sich auf ein Sprintziel zu committen. Die Timebox näherte sich dem Ende und der dort wirkende Scrum Master stellte die Frage in den Raum, ob das Team sich nun entscheiden wolle. Keine einzige Person war zufrieden mit dem Plan und dem Sprintziel, und keine Person wusste, wie begonnen werden und worauf sie zusteuern sollten. Die Personen waren sich jedoch einig:

 “Wir haben nun bereits über drei Stunden investiert, wenn wir jetzt nochmal komplett anders vorgehen, dann waren die drei Stunden für umsonst!” 

Die mangelnde Fähigkeit, uns wahrheitsgetreu zu erinnern und vorherige Wissensstände zu rekonstruieren, wirkt sich jedoch in mehreren Sprint Events aus. Die Retrospektive betrachtet in der Rückschau einen Zeitraum. Wenn du bis hierhin gelesen hast, kannst du dir bereits denken, dass auch diese Rückschau fehlerbehaftet sein kann und die Rekonstruktionen der Einzelpersonen eher wirksam sind (Die Rekonstruktion unterliegt ebenfalls mehreren Denkfehlern). 

Wie erkennst du den Rückschaufehler und Sunk Cost Fallacy, wenn sie auftreten?

“Jetzt haben wir bereits so viel Zeit investiert…”

“Wir haben bereits so viel Geld investiert…”

“Wir haben so viele Mühen darauf verwendet…”

Anhand solcher Sätze erkennst du, dass die Sunk Cost Fallacy am wirken ist.

Der Rückschaufehler wird immer dann wirksam, wenn wir versuchen, Wissensstände zu rekonstruieren, also uns erinnern. Je länger der Zeitraum ist an welchen wir uns erinnern wollen, desto eher treten Denkfehler auf, da unser Gedächtnis trügerisch sein kann und sehr viel Sinn  und Konsistenz im Nachgang einsetzt.  Ein weiteres Merkmal sind zu lange Feedbackschleifen. 

Was also gegen Rückschaufehler und Sunk Cost Fallacy tun?

  1. Treffe die Entscheidung nicht nach den bereits eingesetzten Kosten und der eingesetzten Zeit. Treffe die Entscheidung auf Basis geeigneter Daten und in die Zukunft gerichtet.
  2. Investierte Zeit ist kein Maß für gute Entscheidungsfindungsprozesse. Versuche geeignete Methoden für die Entscheidung zu finden und häufig ist es förderlich, Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Dies verringert den Einfluss von subjektiven Denkfehlern. 
  3. Verwende kleine Timeboxen. Arbeit dehnt sich laut dem Parkinsonschen Gesetz in dem Maße aus, in der Zeit dafür zur Verfügung steht. Mit kürzeren Timeboxen erhältst du womöglich schneller eine Rückmeldung, ob ihr die Zeit gerade verwendet oder verschwendet.
  4. Mache dir Notizen über Erfahrungen und Dinge, die du bspw. in der Sprint Retrospektive ansprechen möchtest. So kannst du durch Rückgriff auf die Notizen eher nachvollziehen, was du in der Situation als wahr angenommen hast. 
  5. Sei dir der Denkfehler bewusst und hinterfrage deine Entscheidungen.

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