Utopie eines hybriden Meetings: Vier Kollegen sitzen an einem Konferenztisch, von denen 2 Remote-Mitarbeiter als Projektion dabei sind.

Stell dir vor, alles ist möglich: Wie sieht ein hybrides Meeting in deiner persönlichen Utopie aus?

Wann war eure hybride Zusammenarbeit wirklich gut? 
Welche Momente hast du als besonders positiv erlebt?

Das waren die Eingangsfragen zur ersten von zwei spannenden Sessions auf der Agile Lean Munich 2025 zum Thema hybride Zusammenarbeit im agilen Arbeitskontext. Geleitet wurden die Sessions von Rebecca Gerstenberg und Ronda Ringfort-Felner von der Universität Siegen in Zusammenarbeit mit Fabian Biebl (Colenet).

Was bedeutet hybride Zusammenarbeit und was wird erforscht?

Hybride Zusammenarbeit findet bei Meetings, Veranstaltungen oder auch im alltäglichen Büroleben immer dann statt, wenn sich ein Teil der Mitarbeitenden gemeinsam in einem Raum befindet und ein anderer Teil aus der Ferne – meist online – zugeschaltet ist.
Neben bekannten Schwierigkeiten, die wir alle von Online-Meetings kennen und die oft aus Technikproblemen entstehen, gibt es bei hybrider Zusammenarbeit eine entscheidende zusätzliche Herausforderung: Es besteht ein Ungleichgewicht in der Präsenz zwischen den gemeinsam körperlich im Raum Anwesenden und den per Video-Call zugeschalteten Mitarbeitenden.

Diese Situation wird aktuell in dem vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt geförderten und von der EU ko-finanzierten Forschungsprojekt PRAESCO untersucht. Das Forscherteam setzt sich aus Mitarbeitenden der TU Dortmund, der Universität Siegen und der Westfälischen Hochschule zusammen. Colenet unterstützt als Praxispartner. 

Ziel des Forschungs-Projektes ist es, (technische) Lösungen zu finden, um die Zusammenarbeit hybrider Arbeitstreffen im agilen Kontext qualitativ zu verbessern und Umsetzungen, bei denen alle Beteiligten gleichberechtigt teilnehmen, zu erleichtern.

Gleichberechtigung, Barrierefreiheit und das menschliche Miteinander im Vordergrund: Chancen und Potenziale hybrider Zusammenarbeit 

Zurück zur Session auf der Agile Lean Munich: Was sind die Chancen und Potenziale hybrider Zusammenarbeit? Das möchten die Forscherinnen Rebecca Gerstenberg und Ronda Ringfort-Felner gemeinsam mit Agile Coach und Organisationsentwickler Fabian Biebl mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ergründen.

Die grundsätzliche Problematik hybrider Zusammenarbeit, die durch die ungleiche körperliche Präsenz entsteht, scheint dabei allen Session-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern bewusst und bekannt zu sein.
Dennoch kommen eine ganze Menge Punkte zusammen, die bei erlebter hybrider Zusammenarbeit in der Vergangenheit als positiv wahrgenommen wurden oder die bereits zum guten Gelingen beigetragen hatten und als Chance gesehen wurden.

Hier eine Auswahl:

Positiv für das gute Gelingen hybrider Meetings:

  • Absprachen zu Verhaltensregeln (z.B. alle Kameras an)
  • Moderation
  • interaktive Technik der Videomeeting-Tools, die alle nutzen können (z.B. schnelle Abstimmung per Chat oder textlose Reaktionen per Emojis)
  • Zeigen persönlicher Gegenstände oder Hintergründe im Videobild (z.B. die Lieblingstasse) gegen die Anonymisierung der Online-Teilnehmenden
  • Flipcharts/White-Boards ausschließlich digital verwenden

Große Chance hybrider Meetings:

  • Einbindung aller Kolleginnen und Kollegen bei Workshops möglich (auch die aus unterschiedlichen Gründen dauerhaft im Home-Office arbeitenden)

Daraus leiteten die Teilnehmenden gemeinsam Merkmale ab, die für sie gute hybride Zusammenarbeit ausmachen:

Merkmale einer guten hybriden Zusammenarbeit

  • Barrierefreiheit
  • Gleichberechtigung
  • Respekt
  • Verantwortung
  • Klare Regelung
  • Struktur
  • Einfache Handhabung
  • Verhandelbarkeit
  • Zwischenmenschliches/Persönliches
  • Diversität
  • Lebens-/Familienfreundlichkeit

Zwei Utopien hybrider Zusammenarbeit für das Jahr 2035: Der virtuelle Stellvertreter im Raum und die vermittelnde KI

Tino Bog, Teilnehmer der Agile Lean Munich und Führungskraft in der Software-Entwicklung, hat hybride Meetings schon aus verschiedenen Perspektiven erlebt. So war er mal als Remote-Teilnehmer per Videocall dabei, während andere gemeinsam vor Ort waren, und mal war er selbst persönlich anwesend, während andere digital zugeschaltet waren. 

Seine Beobachtung fasst zusammen, was viele als entscheidendes Manko hybrider Meetings wahrnehmen: „In hybriden Meetings ist der Rapport zwischen den vor Ort präsenten Teilnehmern meist höher und auch die Aufmerksamkeit füreinander. So stellen sich zwischen ihnen schneller Gespräche ein. Das hat zur Folge, dass die Remote-Kollegen nicht so einfach zur Sprache kommen und oft sogar vergessen werden.” 

Christiane Weber, Beraterin für Digitalisierung & Projektmanagement, weist noch auf einen anderen Punkt hin: „Hybrides Arbeiten hat immer den Nachteil, dass remote zugeschaltete Personen die unbewusst im Raum wahrgenommenen Gefühle nicht mitbekommen. Mit dem utopischen Ansatz auf der ALM haben wir versucht, diese Gefühle für alle sichtbar zu machen, damit das Miteinander leichter wird.“

Dieser „utopische Ansatz” ist ein Experiment, das die Forscherinnen in ihrer zweiten Session auf der Agile Lean Munich durchgeführt haben. Tino Bog und Christiane Weber haben dort mit weiteren Teilnehmenden in einem Utopie-Rollenspiel dargestellt, wie sie sich bestmöglich weiterentwickelte hybride Meetings im Jahr 2035 vorstellen. Eine besondere Herausforderung dabei: Die Teilnehmenden sollten sich auch Gedanken zu den technischen Komponenten ihrer Lösung machen und deren Rolle über eine Person darstellen.

3 Teilnehmer beim Rollenspiel eines utopischen hybriden Meetings.
Agile Lean Munich 2025 :Teilnehmer testen im Rollenspiel, wie sie sich ein utopisches hybrides Meeting im Jahr 2035 vorstellen.
Die Gruppe wählte eine Lösung, bei der eine KI das Treffen nicht nur organisatorisch begleitet, sondern bei Bedarf auch zwischen den Teilnehmenden vermittelt und für die Sache relevante Stimmungen für alle transparent macht.

Die Gruppe von Tino Bog und Christiane Weber stellte sich hybride Meetings in utopischer Form so vor:
Während die Teamleitung digital zugeschaltet ist, um den Release-Termin eines neuen Features zu besprechen, befinden sich die Team-Mitglieder gemeinsam in einem Raum, zusammen mit einem virtuellen KI-Teammitglied. Im Laufe des Gespräches, in dem sich die menschlichen Teilnehmer hin und wieder uneins sind, ihre Bedenken aber nicht unmittelbar äußern oder an einem Punkt stecken, in dem die weitere Vorgehensplanung ins Stocken gerät, springt die KI hilfe-leistend ein. Sie vermittelt: „Christiane, du scheinst hier Bedenken zu haben. Möchtest du sie mitteilen?” Oder fasst den aktuellen Stand zusammen und setzt einen Folgetermin an, der für alle passt. 

Die Idee der zweiten Gruppe geht in eine ähnliche Richtung, legt den Fokus aber vor allem auf das Zwischenmenschliche: Jede Online-Zugeschaltete Person hat einen virtuellen Avatar als Stellvertreter im Raum. Dies macht die Online-Anwesenden für alle ebenso präsent wie die körperlich Anwesenden. Als es zur Eskalation in einem Konflikt kommt, überträgt der Avatar die teils heftigen Reaktionen seines Remote-Ichs in abgemilderter Form in den Raum und unterstreicht andererseits mit Gestik und Mimik geäußertes Verständnis oder Dank seines menschlichen Pendants.

Was sagen die Forscherinnen, was der Agile Coach zu dem Ergebnis? 

„Beide Sessions haben sichtbar gemacht, dass gute hybride Zusammenarbeit das Problem der Asymmetrie zwischen Co-located- und Remote-Teilnehmenden umkehrt und als Potenzial für allgemeine Gleichberechtigung bei allen Teilnehmenden nutzt, sodass alle gleichermaßen gehört und gesehen werden und so aktiv teilnehmen können”, so Rebecca Gerstenberg zu den Ergebnissen der beiden Sessions.

Ihre Kollegin Ronda Ringfort-Felner ergänzt: „Es war wirklich spannend zu sehen, dass in den Zukunftsideen der Teilnehmenden Technologie nicht nur dazu diente, fehlende Präsenz auszugleichen, sondern aktiv neue Qualitäten ins Meeting einbrachte – mehr Struktur, emotionale Tiefe und Vermittlung. Das zeigt, dass hybride Meetings kein Kompromiss sein müssen, sondern – je nach Gestaltung – echten Mehrwert für die Zusammenarbeit schaffen können.”

Und schließlich Agile Coach und Organisationsentwickler Fabian Biebl: „Mit Blick auf hybride Zusammenarbeit in agilen Arbeitskontexten, deren Gelingen in Zukunft noch wichtiger werden dürfte, sehe ich ganz klar, wie groß der Wunsch nach Verbesserungen ist. Diese liegen nicht nur in neuen Tools, sondern auch in Konventionen und Regeln. Produktivität hängt stark davon ab, wie gut die Zusammenarbeit organisiert ist. Deshalb gibt es hier auch ein starkes kommerzielles Interesse. Ein Win-win für Organisation und Mitarbeitende.”

Hybride Zusammenarbeit in der Zukunft: weit mehr als Ausgleich fehlender körperlicher Präsenz

Als Fazit lässt sich sicherlich mitnehmen, dass von allen möglichen Problemen hybrider Zusammenarbeit, die in einer solchen Utopie behoben wären, eine gleichberechtigte Anwesenheitsform aller Teilnehmenden im Raum, offenbar der größte Wunsch ist.

Doch ist dies einmal erreicht durch technische Lösungen wie einem virtuellen Stellvertreter oder einer moderierenden KI, lag es für die Teilnehmenden der experimentellen Session auf der Hand, gleich weitere Vorteile solcher Settings zu nutzen.
Immer da, wo es in der zwischenmenschlichen Interaktion hakt, dient die technische Begleitung des Arbeitstreffens zur Vermittlung, Organisation und neutralen Moderation, sodass sich die menschlichen Akteure auf die Inhalte selbst konzentrieren können.

Spannende Ideen, die umso mehr neugierig machen auf die weitere Forschung von PRAESCO!

Eure Mithilfe ist gefragt!

Das von Bund und EU geförderte Forschungsprojekt PRAESCO, an dem gemeinschaftlich die TU Dortmund, die Universität Siegen, die Westfälische Hochschule und als Praxispartner die Colenet GmbH beteiligt sind, läuft bis Ende 2027. Es werden noch Teilnehmende für Workshops und Gruppengespräche gesucht.
Ihr seid im agilen Kontext tätig und habt schonmal an hybriden Meetings oder Events teilgenommen?
Dann meldet euch gerne – Kontakt und alle weiteren Infos findet ihr auf den nachstehenden Flyern.

Herzlichen Dank!

Teilnehmer-Aufruf für Workshops des Co-Design-Panels

Teilnehmer-Aufruf für Gespräche in Fokusgruppen


Das Projekt „PRAESCO“ wird im Rahmen des Programms „Zukunft der Arbeit“ durch das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) und die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut.

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