Das Mitarbeitergespräch: Vom Pflichttermin zur echten Begegnung

Als ich meine ersten Schritte in der Berufswelt ging, war das Mitarbeitergespräch für mich ein erwartbarer Standardprozess. Man spricht über Aufgaben, über Projekte, darüber, was gut läuft – und was besser laufen könnte. Ganz normal, dachte ich.

Doch im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen dämmerte mir: Viele von uns schätzen diese Gespräche kaum. Sie wirken oberflächlich, oft wie ein Statusbericht ans Management – nicht wie ein echtes Gespräch mit dem Mitarbeiter. Der Grund hierfür ist wahrscheinlich über viele Jahre gewachsen. So ist das Mitarbeitergespräch zu einem Instrument für das Management geworden, um Zielvereinbarungen zu setzen und nachzuverfolgen. Dies hilft letztlich dabei, Mitarbeitende besser einschätzen und bewerten zu können. Für die Mitarbeitenden ist es eine Möglichkeit, sich zu positionieren und zu präsentieren. Ein  Instrument für die Karriere im Wettbewerb. 

Vor diesem Hintergrund stelle ich mir eine einfache, aber entscheidende Frage:

Wie sähe ein Mitarbeitergespräch aus, wenn es wirklich um den Menschen ginge?

Menschen sind keine Maschinen

In über 90 % der Gespräche, die ich beobachtet, beschrieben bekommen, oder selbst erlebt habe, geht es um Arbeitsergebnisse. Aber wir sind keine Roboter. Wir besitzen jeden Tag Emotionen, Sorgen, Hoffnungen, Erwartungen und Motivationen.

Ich erinnere mich an den Kollegen, der kaum einen klaren Gedanken fassen konnte, weil es zuhause kriselte. Oder die Kollegin, die frustriert war, weil ihr altes Notebook ewig zum Hochfahren brauchte. Ein anderer fühlte sich in seinem fensterlosen Büro wie eingesperrt – er brauchte Weitblick, um kreativ zu denken, eine Kollegin litt unter der schlechten Luft an der Heizung.

Kleinigkeiten? Nein. Solche Realitäten beeinflussen die Leistung mehr als oft wahrgenommen.
(Diesen Aspekt behandele ich tiefergehend in meinem Beitrag die Team-Schmerz-Matrix.)

People-Centric Leadership beginnt mit einer ehrlichen Frage

Heute starte ich jedes Mitarbeitergespräch mit einer simplen, aber kraftvollen Frage:

„Wie fühlst du dich heute?“

Diese Frage verändert alles. Denn sie fordert dein Gegenüber auf, in sich hineinzuhören. Sie öffnet den Raum für echte Emotionen – nicht für Statusupdates. Sie zielt genau auf das ab, was uns Menschen von der Maschine unterscheidet: Emotionen.

Antwortet jemand: „Es ist gerade stressig, aber geht schon“, bleibe ich auf dieser Ebene.
Ich frage weiter:

  • Was bereitet dir den Stress?
  • Warum belastet dich das so?
  • Was müsste sich ändern, damit es besser wird?

Die Antworten zeigen mir, was meine Kollegen wirklich brauchen – und häufig ergeben sich daraus ganz konkrete Aufgaben für mich. Einige sind einfach umsetzbar. Andere erfordern Zeit, Budget oder Rücksprache.

Aber nun weiß ich es. Und ich kann handeln.

Mitarbeitergespräche als Katalysator für Entwicklung

Ein gutes Mitarbeitergespräch ist kein Statusreport und auch kein Vorgeben von Aufgaben. Es ist eine Bühne für die Entwicklungpotenziale des Einzelnen.

Deshalb frage ich auch:

  • Was sind deine persönlichen Ziele?
  • Wo möchtest du in fünf Jahren, in zwei Jahren und in sechs Monaten stehen?
  • Was brauchst du, um deine Stärken zu zeigen?

Die Leistung der Führungskraft liegt nun unter anderem darin, Motivation, Themen, Stärken, Leidenschaft, aber auch die Abneigung der Mitarbeiter zu berücksichtigen und so weit wie möglich im Arbeitsumfeld darauf Rücksicht zu nehmen und zu integrieren.
Diese Aufgabe ist alles andere als leicht. Oft konkurrieren auch Wünsche oder persönliche Ziele von Kollegen miteinander. In den meisten Fällen ist eine vollständige Umsetzung nicht möglich. Doch es geht gar nicht um die 100 %. Jeder Schritt  in der Umsetzung  von Mitarbeiterwünschen ist pure Wertschätzung, die wahrgenommen wird! Ein wertebasierter Invest.

Statt Ziele nur top-down zu verordnen, stimme ich als Führungskraft individuelle Entwicklungswünsche mit den Unternehmenszielen ab. Ich komme nicht wahllos jedem Wunsch nach – sondern vielmehr: Ich höre zu. Ich fördere. Ich vernetze.

Das Ergebnis? Ein motiviertes Team mit klarer Perspektive – und deutlich mehr Leistung aus Leidenschaft. Wertgeschätzte Mitarbeitende, in die investiert wurde, fühlen sich wohl und haben weniger Anlass zu kündigen. Sie sind oft loyaler und bereit, ihre Leistung zu erhöhen, wenn es die Situation gerade erfordert.

Fazit: Es geht nicht nur um Projekte. Es geht um Menschen.

Mitarbeitergespräche sind kein reines Mittel zur Leistungsüberprüfung. Sie sind ein zentrales Führungsinstrument – wenn wir sie richtig nutzen.

Frage nicht: „Wie geht es dir, was gibt’s Neues?“ Frage: „Wie fühlst du dich?“

Dann beginnt ein Gespräch, das Wirkung zeigt – für die Mitarbeitenden, für das Team und für das Unternehmen.

Next Step: Dein Gesprächsleitfaden

Willst du dein nächstes Mitarbeitergespräch anders starten?

Probiere es aus:

  1. Starte mit einer offenen Gefühlsfrage.
  2. Bleibe auf der emotionalen Ebene.
  3. Identifiziere konkrete Bedürfnisse – und handle.
  4. Frage nach persönlichen Zielen.
  5. Schaffe ein Umfeld, in dem echte Leistung aus Wohlbefinden entsteht.

Führung beginnt im Gespräch. Und das Gespräch beginnt mit echtem Interesse am Menschen.

Agile Coach Leiv Braun

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