Workshopszenen

Herausforderung Workshop-Moderation: Von entfesselter Kreativität und eskalierenden Diskussionen.

Hallo zusammen,

erinnert ihr euch noch an meinen vorherigen Blogpost, „Erfolgreich einen fachlichen Workshop gestalten! Nur wie?„?
Heute möchte ich euch das spannende Follow-up dieser Geschichte präsentieren. Nachdem die Planung bis ins Detail erfolgt war, konnte der Workshop endlich starten und ich wurde erneut um wertvolle Erfahrungen reicher: Diesmal in Bezug auf die Moderation. Genau darum wird es in diesem Beitrag gehen: Erfahrungen, Learnings, persönliche High- und Lowlights, die ich bei der Moderation von Workshops und bei meiner Arbeit als Scrum Master in den Teams gewonnen habe und die ich mit euch teilen möchte. 

Im Laufe des Beitrags werde ich auch auf einige Bücher eingehen, die mir bei meiner Arbeit als Scrum Master und als Moderator sehr geholfen haben. Die genauen Angaben habe ich für euch als Literaturverzeichnis und Linkliste am Ende zusammengestellt.

Es handelte sich um einen „verpflichtenden” Workshop.
Oder wie ich sagen würde: Echt miese Voraussetzungen zum Entfesseln von Kreativität.

Ein Workshop, bei dem ich als Moderator besonders viel lernen konnte, trug den wundervollen Titel „Kreativität entfesseln: Ideen für die Zukunft“ und war auf die Anregung der Zusammenarbeit unterschiedlicher Teams ausgerichtet. Denn hier hatte man Verbesserungspotentiale erkannt. Wie? Ich weiß es nicht. Wer? Das „Squad Management”, wie sich dieses für mich etwas verwirrende Komitee bei dem damaligen Kunden nannte. Ich hatte die unfassbare Ehre, als Scrum Master und Moderator die Verantwortung für die Veranstaltung zu übernehmen. Als die Teilnehmenden den Raum betraten, konnte ich ihre Vorfreude förmlich spüren. Immerhin war es ein „verpflichtender” Workshop. Oder wie ich sagen würde: Echt miese Voraussetzungen zum Entfesseln von Kreativität.

Naja, so ist das eben: Unsere Arbeit findet manchmal unter besseren Voraussetzungen statt, und manchmal eben unter weniger herausragenden. Also, wie habe ich die Teilnehmenden und mich durch diesen Workshop „unter erschwerten Bedingungen” moderiert?

Einstieg in den Workshop: Warum? Und wie?

Zuerst mal, um eine offene und kreative Atmosphäre zu schaffen, entschied ich mich für eine Mischung aus strukturierter und kreativer Moderation. Dies bezeichne ich gerne als Grundhaltung in der Moderation, auch wenn es eher Vorgehensweisen sind. Diese beiden z.B. basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zu effektiven Moderationstechniken. Laut  „The Art of Thinking Clearly“ von Rolf Dobelli führt eine klare Strukturierung zu besseren Ergebnissen und einer höheren Zufriedenheit der Teilnehmenden. 

Gleichzeitig unterstützt die Förderung von Kreativität und innovativem Denken, wie Joachim Freimuth in „Handbuch Moderation: Konzepte, Anwendungen und Entwicklungen (Innovatives Management)“ beschreibt, die Generierung von neuen und innovativen Ideen. 

Vorgehen bei der Auswahl der Moderationstechnik (Grafik: S. Ohnmacht).

Wir begannen mit einer kurzen Einführungsrunde, bei der jeder Teilnehmende sich und seine Erwartungen vorstellte. Dieser einfache Akt des Kennenlernens und des Erwartungsabgleichs ist zumindest laut  „Facilitator’s Guide to Participatory Decision Making“ von Sam Kaner ein wichtiger Schritt, um Vertrauen und Offenheit in einer Gruppe zu fördern.

Danach leitete ich die Gruppe in eine „Icebreaker-Aktivität” ein. Wir spielten das „Zukunfts-ABC-Spiel“, bei dem jeder Buchstabe des Alphabets mit einer Idee für die Zukunft verbunden werden muss. Diese spielerische Methode basiert auf der Theorie des assoziativen Denkens, welche besonders durch die Arbeit von Hermann Ebbinghaus geprägt wurde. Indem wir uns auf unkonventionelle Verbindungen zwischen Buchstaben und Ideen konzentrierten, wurden neue Denkweisen und Perspektiven angeregt.

Gesprächsraum schaffen für alle!

Nachdem die Stimmung aufgelockert war, war es Zeit, in die eigentlichen Diskussionen einzusteigen. Ich verwendete eine strukturierte Moderation, nämlich 1-2-4-All von den „Liberating Structures”, um sicherzustellen, dass jeder Teilnehmende die Möglichkeit hat, eigene Ideen einzubringen. Diese Methode stellt klare Regeln und Abläufe für den Diskussionsprozess auf, welche diesen lenken und die Chancengleichheit für alle Teilnehmenden gewährleisten. Ich glaube tatsächlich, wer häufiger mal moderiert und Liberating Structures noch nicht kennt, sollte sich „The Surprising Power of Liberating Structures” durchlesen. Wer das Buch bereits kennt, allerdings die Liberating-Structures-App noch nicht auf seinem Smartphone hat, sollte sich, wie ich finde, zulegen. Sie ist wirklich häufiger hilfreich, als man denkt.

Während der Diskussionen war sehr deutlich zu beobachten, wie die Teilnehmenden ihre „kreativen Säfte“ fließen ließen. Ja wirklich, wir haben echte und auch fantastische  Ideen generiert, Meinungen wurden ausgetauscht und es entwickelten sich richtig lebhafte Debatten. Für mich war es sehr beeindruckend zu sehen, wie eine integrative Moderation wirkt. Damit meine ich eine die Teilnehmenden mit einbeziehende Moderation, welche versucht das Gespräch zu steuern und allen Teilnehmenden die Chance bietet, ihre Meinung zu äußern, ohne den Gesprächsfluss zu vereinnahmen. So konnten unterschiedliche Standpunkte aufeinander treffen und konstruktiv diskutiert werden.

Was ich von (nicht nur meinen) Lehrern lernte

Kinder in einer Schulklasse schauen den Lehrer an.

So – mit denjenigen unter euch, welche ich an diesem Punkt noch nicht verloren habe, möchte ich mich nun auf die konkreten Techniken für eskalierende Diskussionen (die sich aber auch auf generelle Diskussionen anwenden lassen)  konzentrieren, die ich als Scrum Master hauptsächlich von Lehrerinnen und Lehrern gelernt habe. Ja, meine halbe Verwandtschaft besteht aus Lehrern. Sie haben Pädagogik studiert und dabei sehr viele solcher Techniken kennengelernt und mir manche davon verraten. 

Wie moderieren, wenn’s heiß hergeht?

In eskalierenden Diskussionen ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren und deeskalierende Moderationstechniken anzuwenden. Als Scrum Master habe ich oft erlebt, dass Teams in hitzigen Debatten stecken bleiben, bei denen es schwer ist, einen Konsens zu finden. Falls ihr ebenfalls mal mit Software-Teams arbeitet, kennt ihr es alle: Diskussionen über Variablennamen können ausarten.

Den Fokus lenken

Ähnlich ist es für Lehrerinnen und Lehrer, die in Klassenzimmern mit aufgeheizter Stimmung konfrontiert werden. In solchen Situationen ist es hilfreich, den Fokus auf das gemeinsame Ziel zu lenken und Techniken wie das „Aktive Zuhören“ oder „Spiegeln” einzusetzen, um den Teilnehmenden das Gefühl zu geben, gehört und verstanden zu werden. Diese Techniken, die auch von Mediationsfachleuten empfohlen werden, können helfen, den emotionalen Druck zu verringern bzw. eine Selbstreflexion auszulösen und zu einer konstruktiven Lösungsfindung beizutragen. 


Bei Lautstärke gegensteuern

Kleiner Tipp am Rande: Je lauter die Diskussion wird, desto leiser solltet ihr sprechen, um zum einen einen höheren Anteil an der Aufmerksamkeit der Teilnehmenden zu bekommen und zum anderen, um die Teilnehmenden in ihrer Lautstärke zu mäßigen. Funktioniert nicht nur in der Grundschule, sondern auch wenn es beim Sprint-Planning mal wieder lauter wird.

Offene Diskussionskultur…

Bei generellen Diskussionen, sei es in einem Teammeeting oder im Klassenzimmer, ist es wichtig, den Raum für verschiedene Perspektiven zu öffnen und die Teilnehmenden zur aktiven Beteiligung zu ermutigen. Als Scrum Master habe ich festgestellt, dass eine offene Diskussionskultur entscheidend ist, um Innovation und Zusammenarbeit zu fördern.

…auch mit nicht immer offenen Fragen möglich

Lehrerinnen und Lehrer haben ähnliche Erfahrungen gemacht, wenn sie den Schülern ermöglichen, ihre Gedanken und Meinungen in den Unterricht einzubringen. In solchen Diskussionen ist es von Vorteil, möglichst viele Fragen zu stellen. Dabei müssen diese nicht immer komplett offen gestellt sein, wie mir zahlreiche Pädagogen versichert haben, solange sie nur nicht komplett geschlossen und richtig dosiert sind, um die Diskussion am Laufen zu halten, ohne sie einzunehmen. 

Dies hilft, das Denken anzuregen und eine tiefergehende Reflexion zu ermöglichen. Indem wir den Teilnehmenden Fragen stellen, können wir sie dazu ermutigen, ihr Wissen und ihre Erfahrungen einzubringen und neue Perspektiven zu erkunden.

Und noch eine Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Moderation in verschiedenen Arbeitsbereichen von großer Bedeutung ist. Sowohl Scrum Master als auch Lehrerinnen und Lehrer können von vielfältigen Moderationstechniken profitieren, um eine produktive Zusammenarbeit und eine offene Diskussionskultur zu fördern. Indem wir unsere Kenntnisse über Moderation erweitern und verschiedene Techniken aus verschiedenen Umfeldern einsetzen, können wir eine positive und inspirierende Arbeitsumgebung schaffen. Ich hoffe, ich habe euch ein paar interessante Techniken zeigen können. Viel mehr noch, aber hoffe ich, dass ich euer Interesse geweckt habe, auch mal über den viel besungenen Tellerrand zu schauen, denn wir könnten, wenn wir uns öffnen, sicherlich noch auf vielen weiteren Feldern Techniken und Methoden abschauen und anwenden. Das sorgt für neue Aha-Effekte und ist einfach herrlich! In diesem Sinne wünsche ich euch viel Erfolg und Spaß, wenn ihr mal wieder selbst moderiert. 

Bis bald!
Sebastian

Bücherliste

  • „The Art of Thinking Clearly“ von Rolf Dobelli, Herausgeber:‎ Harper (2014)
  • „Handbuch Moderation: Konzepte, Anwendungen und Entwicklungen (Innovatives Management)“ von Joachim Freimuth, Herausgeber: Hogrefe Verlag (2014)
  • „Facilitator’s Guide to Participatory Decision-Making“ von Sam Kaner Herausgeber: Jossey-Bass(2014)
  • „The Surprising Power of Liberating Structures” von Henri Lipmanowicz und, Keith McCandless Herausgeber: Liberating Structures Press (2014)

Linkliste

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