Effektive Technik für Führungskräfte gegen Frust und Ärger: Die Emotionsklärung
Für mich persönlich hat sich die Emotionsklärung als eine der effektivsten Techniken erwiesen, um deutlich entspannter, ausgeglichener und souveräner im Arbeitsalltag zu agieren. Mit dem zusätzlichen positiven Nebeneffekt, dass auch das Abschalten nach Feierabend deutlich leichter fällt.
Als ich einen meiner Leadership Snacks auf Linkedin zum Thema postete, haben mich viele Nachrichten erreicht, die den Effekt bestätigt haben. „Das funktioniert wirklich!”
Grund genug, hier noch einmal zu beleuchten, worum genau es bei der Emotionsklärung geht, warum sie so effektiv ist und wie sie jeder für sich nutzen kann.
Was bedeutet „Emotionsklärung”?
Wir kennen alle diese oder ähnliche Situationen:
Ganz unerwartet stichelt ein Kollege in einem Meeting, von dem man sich Rückendeckung erhofft hatte. Mitarbeitende äußern plötzlich Zweifel an einem Plan, der bereits verabschiedet war und starten zum wiederholten Mal eine Diskussion. Vermutlich kennen wir alle solche Situationen. Wir versuchen, äußerlich cool zu bleiben, doch innerlich brodelt es. Erinnerungen an ähnliche Erlebnisse tauchen auf und verstärken das ungute Gefühl, dass hier etwas schief läuft. Wir verlieren den Faden und können nicht mehr klar denken.
Cool bleiben unter Stress ist eine Grundanforderung vieler Berufe. Für Führungskräfte gilt das in besonderem Maße. Wäre es nicht großartig, eine Technik zu haben, die dabei hilft, nicht nur ruhig zu erscheinen, sondern auch tatsächlich ruhig zu bleiben?
Bei der Emotionsklärung geht es darum, negativ-emotionalen Situationen, die im Alltag aufkommen und nicht selten kurz- oder langfristig negative Folgen haben, etwas entgegenzusetzen: Das Ziel ist es, sich das erlebte negative Gefühl, sei es Ärger, Frust, Angst oder Stress, ganz bewusst vor Augen zu führen – und zwar unmittelbar in dem Moment, wo es auftritt. Indem ich mir bewusst mache, dass ich gerade z. B. Ärger empfinde, kann ich nun reflektieren, was gerade dieses Gefühl ausgelöst hat.
Ist die Ursache gefunden (z. B. der saloppe Kommentar eines Kollegen im Meeting, der in mir das Gefühl auslöst, dass meine Arbeit nicht wertgeschätzt wird), wird sich die negative Emotion durch das rationale Reflektieren des Auslösers sofort spürbar abschwächen.
Der große Vorteil: Durch die Klärung der Ursache meiner Emotion habe ich nun nicht nur das negative Gefühl reduziert, sondern mir automatisch einen Handlungsspielraum eröffnet, entlang dem ich nun entscheiden kann, wie ich mit der Situation umgehen möchte (den Kollegen später noch einmal darauf ansprechen, andere um ihre Meinung bitten oder es dabei belassen, da dieser Kollege dafür bekannt ist, regelmäßige solche Kommentare abzugeben).
So wird der Schaden der negativen Emotion, die häufig irrationales Verhalten und Denken nach sich zieht, und uns, bleibt sie ungeklärt, oft bis in den Schlaf verfolgt, neutralisiert. Wir kommen wieder in die Lage, klar und souverän zu handeln.
Den emotionalen Überlebensmodus erkennen und kontrollieren
Um besser zu verstehen, wie die Technik der Emotionsklärung wirkt und warum sie Übung erfordert, ist es hilfreich, sich den Ursprung unserer negativen Gefühle im Berufsalltag bewusst zu machen.
Tief in unserem Gehirn sitzt eine hochsensible Alarmanlage, die versucht, bedrohliche Situationen zu erkennen. Wird sie in Alarm versetzt, schaltet sie den Körper mit sofortiger Wirkung in den Überlebensmodus. Dabei reduziert sie die Ressourcen für das Wahrnehmen von Details und für das logische Denken. Unser Körper ist bereit für eine Situation, die Flucht oder Kampf erfordert und dafür alle Energien beansprucht. Wir verarbeiten die Welt um uns herum nur noch grob. Für unsere Vorfahren war das überlebenswichtig: Wenn der Bär angreift, hilft uns schnelle, instinktive körperliche Reaktion, für rationales Abwägen bleibt keine Zeit.
Das Gehirn reduziert also bei Bedrohung reflexartig die Fähigkeit zum bewussten Nachdenken. Ein hoher Grad an Alarmiertheit verhindert klares Denken. Spannenderweise funktioniert das auch andersherum: Intensives logisches Denken verringert das Gefühl der Alarmiertheit. Die beiden Funktionen des Gehirns wirken wie eine Wippe und wir können das Kippen selbst beeinflussen: Vorausgesetzt, wir bringen uns bewusst dazu, den konkreten Auslöser der Emotion zu identifizieren und genauer zu betrachten.
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Emotionsklärung und das SCARF-Modell
Die Technik besteht darin, in wenigen Worten eine prägnante Beschreibung für die Emotion zu finden, die du bei dir beobachtest. „Symbolic labeling“ ist der englische Fachbegriff dafür. Du wirst dir zunächst darüber klar, welches Gefühl in dir aufsteigt, und findest dann ein passendes Wort dafür.
Ein Beispiel: Dein Chef ermöglicht deinem Kollegen, was er dir gegenüber zuvor abgelehnt hat. Du empfindest Irritation, Sorge oder auch Wut. Bei genauerer Betrachtung kannst du diese Emotion über folgendes Label konkretisieren: „Verletzter Stolz. Unfair.“ Ist das geschafft, wirst du sofort einen Effekt bemerken: Die Intensität der Emotion nimmt ab und du erleichterst es dir, nun überlegt mit der Situation umzugehen.
Ich selbst nutze die Emotionsklärung gerne zusammen mit dem SCARF-Modell, um zu verstehen, welche sozialen Sensoren meine innere Alarmanlage ausgelöst haben.
Das könnte so aussehen: In meinem Kalender ploppt ein irregulärer Termin auf, den mein Vorgesetzter unter dem Titel „Feedback zu deinem letzten Training“ eingestellt hat. Das löst in mir sofort ein ungutes Gefühl aus.
Ich mache mir meinen Schreck bewusst und überlege, welche der 5 Dimensionen des SCARF-Modells ich für mich gerade angegriffen sehe: „Feedback angekündigt: Trigger auf Status, Certainty, Autonomy.“
Sofort sehe ich klarer und kann diese Beobachtung nutzen, um mir in dem Feedback-Termin Klarheit zu verschaffen und die entstandene Unsicherheit zu klären.
Prägnanz und Schnelligkeit: Zwei Übungen zur Emotionsklärung
Auch wenn die Technik in der Theorie einfach erscheint, gibt es zwei Dinge, auf die man achten sollte und die etwas Übung erfordern: Prägnanz und Schnelligkeit.
Prägnanz: Sei beim Labeling deines Gefühls prägnant und kurz und versinke nicht im Gefühl. Beschränke dich auf ein oder zwei Wörter für die Beschreibung. Nutze symbolhafte Sprache, Metaphern, Zahlen oder abstrahierende Vereinfachungen. Das erfordert bewusstes Nachdenken und führt dazu, dass die Wippe vom Überlebensmodus wieder in Richtung bewusstes Nachdenken umschlägt. Vermeide es, tief in die Emotion einzutauchen.
Schnelligkeit: Erkenne rechtzeitig, dass du die Technik genau jetzt anwenden solltest. Nach einem Auslöser hast du etwa eine halbe bis höchstens eine Sekunde, bevor der Überlebensmodus aktiviert und dein rationales Denken heruntergefahren wird. So schnell zu reagieren, erfordert Übung.
Solltest du zu Beginn noch Schwierigkeiten haben, hier zwei Tipps, die dir beim Trainieren helfen können:
Übung: Nachträgliche Emotionsklärung
Erinnere dich an Situationen, in denen du die Emotionsklärung noch nicht angewandt hast oder dabei nicht schnell genug warst. Welcher Satz, welche Situation hat deine Gefühle überhandnehmen lassen? Hole die Emotionsklärung nach.
Versuche dich zudem zu erinnern: Wie hat sich der Moment angefühlt, bevor die negativen Gefühle wirklich stark wurden? Woran kannst du solche Momente schnell erkennen?
Übung: Stellvertretende Emotionsklärung
Es kann als Übung zudem helfen, Situationen zu beobachten, in denen bei anderen Emotionen ausgelöst werden und eine stellvertretende Emotionsklärung durchzuführen. Finde eine Bezeichnung für das, was du bei anderen beobachtest. Z. B. „Ärger“, „Überraschung“, „Ekel“, „Angst”. Versuche dabei, möglichst schnell zu sein.
Menschen, die unter Druck erfolgreich sind, haben Techniken wie die Emotionsklärung gefunden, um auch unter Stress innerlich ruhig zu bleiben und klar zu denken. Diese Fähigkeit ist nicht naturgegeben, sondern erfordert Übung. Mit der Zeit kannst auch du dein Gehirn darauf trainieren, anders auf Emotionen zu reagieren.
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