Wie neue Handlungsoptionen nachhaltig Projekte retten
Projekte zum Erfolg zu führen ist keine leichte Aufgabe. Menschen müssen dazu in Positionen und Rollen gebracht werden, das Zusammenspiel muss eingeübt und beständig verbessert werden, Interaktionen mit dem Kunden müssen darauf ausgerichtet sein, kontinuierlich wertvolle Ergebnisse zu liefern. Agile Vorgehensweisen helfen dabei. Sie sind quasi in disziplinierte Abläufe gegossene Interaktion und Kommunikation. Scrum ist hier mit seinen Rollen, Artefakten und Meetings ein gutes Beispiel.
Dass sich so ein Vorgehen etabliert, ist allerdings nicht selbstverständlich.
In der Vergangenheit Gelerntes wird beibehalten
Gute Teams entstehen nicht von alleine. Typischerweise bedarf es einer Führungskraft und einer spezifischen Aufgabe, um ein Team zu bilden und diesem eine Vision zu geben, die es aus eigener Kraft selbstverantwortlich erreichen kann. Agile Vorgehen sind allerdings noch nicht überall akzeptiert und bekannt. Stattdessen gibt es langjährige Erfahrungen mit Projekten und ein Repertoire an Lösungsmustern, die sich bisher bewährt haben.
Am Beispiel könnte das so aussehen: Ein Projektteam hat in der Vergangenheit Schwierigkeiten damit gehabt, Entscheidungen zu fällen und voranzukommen. Der Führungskraft ist das aufgefallen und eine Lösung hat dann schnell Abhilfe geschaffen: Der Architekt, als derjenige mit dem größten Wissen über Zusammenhänge, wurde zum Alleinentscheider befördert. Damit kam das Projekt damals aus der Krise. Die Führungskraft hat gelernt, dass Verantwortung gezielt an Personen festgemacht werden muss. Der Held ist geboren!
Damit hat die Führungskraft in unserem Beispiel nun zwei Handlungsoptionen: Anarchie oder Held. Dass sich das Heldenmuster durchsetzt, ist logisch. Stolz auf diese Lösung macht sie zu einem präferierten Standardansatz.
Helden lösen keine Komplexität — Aufbruch in ein neues Zeitalter
Leider bleibt die Uhr danach aber nicht stehen, die Arbeitswelt verändert sich und wird immer komplexer. Der damalige Held kann heutzutage diese Komplexität nicht mehr durchdringen. Deshalb ist das Projekt erneut in Schwierigkeiten!
Projektintern können sich die Mitarbeitenden nicht helfen, denn der Held, als bewährtes Lösungsmuster, wird ihnen von der Führungskraft vorgegeben. Diese ist selbst auch nicht glücklich damit, denn Probleme sieht sie schon auch. Sie kennt aber nur dieses eine, bewährte Lösungsmuster. Statt es aufzubrechen, werden dem einen Held weitere Helden zur Seite gestellt mit dem Ergebnis, dass diese sich plötzlich gegenseitig angehen, bis zum Schluss doch wieder nur ein Held überbleibt.
In solchen Situationen wird auf der Arbeitsebene häufig versucht, Scrum einzuführen. Diese Initiative hat aber selten eine Chance, da sie mit dem Heldenmuster kollidiert, welches von der mächtigen Führungskraft aufrechterhalten wird. Über kurze Zeit fällt das agile Vorgehen der existierenden Kultur zum Opfer, die Methodik verbrennt.
Agilität macht, um mit Komplexität umzugehen, Verantwortung nicht mehr an Einzelpersonen, sondern an Teams fest. Mit viel Transparenz werden Arbeitsabläufe sichtbar und verbesserbar. Solch eine wirksame Veränderung wird aber erst einsetzen, wenn die Führungskraft weitere Handlungsoptionen sieht, diese akzeptiert und unterstützt. Aufgrund der Distanz zur Arbeitsebene erfolgt dieses Lernen jedoch selten autodidaktisch.
Mit Stimulation von Außen zu neuen Handlungsoptionen
Hier kommen erfahrene Berater:innen und Agile Coaches ins Spiel, die sich trauen müssen, mit der Führungskraft zu arbeiten und agiles Arbeiten als attraktive Alternative aufzuzeigen, mit der die Führungskraft ihre Interessen verfolgen kann. Dies muss mit einer für das Management tauglichen Sprache und relevanten Erklärungen geschehen. Erst wenn die Führungskraft erkennt, dass es diese Alternative gibt, wird sie anfangen so zu führen, dass die Zeit der Helden zu Ende geht.
Solche Handlungsmuster aufzubrechen bedarf sehr viel Mut auf beiden Seiten. Der Berater oder die Beraterin muss es wagen, darüber zu sprechen, dass es Probleme gibt, die das Projekt aus eigener Kraft nicht beheben kann. Das muss erfolgen, ohne anzuklagen. Es darf keine Scham auslösen und nicht dazu verleiten, sich rechtfertigen zu müssen. Deshalb empfiehlt es sich, dies unter vier Augen zu tun und der Führungskraft durch das Wecken von Neugier zu helfen, Alternativen zu erforschen und dabei aber Herr der Entscheidung zu bleiben.
Das Geben von Handlungsoptionen ist damit ein wesentlicher Teil der Dienstleistung einer Beraterin oder eines Beraters und ein guter Grund dafür, dass diese nicht Teil des Systems sein sollten. Mit diesen neuen Optionen kann eine Veränderung dann von Innen heraus stattfinden, was oft langsamer, dafür aber nachhaltiger als viele klassische Änderungsvorhaben ist. Wie dies genau geschieht, müssen die Berater:innen im Einzelfall herausfinden.