User Experience

3 einfache Praktiken, wie Scrum Teams dafür sorgen können, dass die Nutzer stets an erster Stelle stehen

Verlangen Unternehmen von ihren Produktteams, Nutzerbedürfnisse und Anwenderverhalten erraten zu können, sind sie zum Scheitern verurteilt!

Inzwischen weiß jedes Scrum Team, dass es mit seinen Nutzern sprechen, Ideen frühzeitig testen, Feedback einholen und ihr Produkt oder ihre Dienstleistung kontinuierlich an die aktuelle Problemstellung der Nutzer anpassen muss. Und doch kämpfen viele Teams, mit denen ich arbeite, damit, dies zu erreichen. Sie suchen nach neuen Wegen, um die Anwender besser in den Entwicklungsprozess einzubinden.

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Bild von Jo Szczepanska auf Unsplash

Hier 3 einfache Praktiken, die helfen, den Nutzer in den Vordergrund der Entwicklungsarbeit zu stellen.

Business-Problem-Statement: Scrum Teams sollten konkrete Problemstellungen von Nutzern lösen

Im September 2011 war Rebecca Black 13 Jahre alt und ihr YouTube Video „Friday“ wurde über Nacht zum viralen Hit. Leider aus den falschen Gründen.

Ihr Video wurde 128 Millionen Mal angeklickt und bekam gleichzeitig 3,3 Millionen Daumen nach unten. Sie wurde Opfer einer Dislike-Attacke. Bei diesen Attacken versuchen Leute koordiniert, die Anzahl der Dislikes für die Videos eines Creators in die Höhe zu treiben. Anfang dieses Jahres sagte sie in einem Interview gegenüber der BBC, dass sie Jahre gebraucht hatte, um darüber hinwegzukommen.

Vor einigen Tagen hat YouTube angekündigt, die Anzahl der Dislikes eines Videos nicht mehr öffentlich sichtbar zu machen.

Dem vorausgegangen sind eine Reihe von Experimenten mit unterschiedlichen Features und Richtlinien, welche alle das Ziel hatten, folgendes Business-Problem zu lösen: YouTube wurde entwickelt, um ein Ort zu sein, an dem Kreative aller Größen und Hintergründe ihre Stimme finden und teilen können. Wir haben festgestellt, dass durch Dislike-Attacken häufig kleinere Kanäle stark beeinträchtigt werden. Wie können wir YouTube so verbessern, dass wenn Creator Opfer einer Dislike-Attacke werden es keine erkennbaren Unterschied in ihren Zuschauerzahlen gibt?

Erfolgreiche Produktteams machen sich zunächst Gedanken über die Probleme des Kunden und denken nicht gleich an die Lösung des Problems.

Das Beispiel von YouTube veranschaulicht, dass Scrum Teams bei ihrer Arbeit nicht damit beginnen sollten, Funktionen zu implementieren. Der Startpunkt sollte stattdessen die Beschreibung einer konkreten Problemstellung sein, welche es zu lösen gilt. Dies ermutigt die Mitglieder des Teams zu kreativem Denken und der Erkundung des Problems. Damit richtet sich die Priorität des Teams auf die Lösung von Problemen und nicht auf die Entwicklung von Funktionen. Es zwingt sie, über die Ergebnisse nachzudenken, die sie erreichen wollen. Was wird für den Nutzer anders sein, wenn sein Problem gelöst ist? Die Beschreibung eines Problems ermutigt zu einer ganzheitlichen und umfassenden Sichtweise der Arbeit weit über die reinen Softwarefunktionen hinaus. Welche Zusammensetzung aus Feature, Design, Texten, Richtlinien, Werbung und Dienstleistungen wird das Problem lösen?

Ein Business-Problem-Statement besteht dabei aus drei Elementen:

  • dem aktuellen Ziel des Produkts,
  • dem Problem, dass der Kunde oder Nutzer gelöst haben möchte, und
  • einer ausdrücklichen Verbesserung des Problems mit Erfolgskriterien, die keine bestimmte Lösung vorschreiben.

Um sich auf den Nutzer zu fokussieren, sollten Unternehmen ihren Scrum Teams ein konkretes Problem stellen, die es zu lösen gilt und nicht eine Lösung oder ein Feature-Set, das es zu implementieren gilt.

Fokussierung auf Outcomes: Scrum Teams sollten die Ergebnisse messen, welche Nutzer mit ihrer Arbeit erzielen

Die meisten Unternehmen verfolgen den Ansatz „wenn wir es bauen, werden sie kommen“.

Sie konzentrieren sich darauf, ihren Kunden mehr Features und Funktionen zu liefern. Sie gehen davon aus, dass der Nutzer etwas mit einem Feature anfangen kann, wenn er es in den Händen hält. Einige Unternehmen messen die Resultate ihrer Arbeit. Die App wurde bereits über 1 Million Mal aus dem App-Store heruntergeladen. Wir haben 200.000 Anmeldungen. Der Prozentsatz der Nutzer, die 1 Tag, 7 Tage und 30 Tage nach der Anmeldung noch aktiv sind, ist über 26 %. Das Verhältnis der täglich aktiven Nutzer und der monatlich aktiven Nutzer liegt bei 15 %. Aber nur wenige Unternehmen fokussieren sich auf die wesentlichen Daten. Nach Josh Elman sind die einzigen Daten die wirklich zählen, solche, die folgende Frage beantworten:

Nutzen die Menschen das Produkt wirklich?

Auf den ersten Blick klingt die Frage sehr einfach. Denken wir aber mehr darüber nach, was Nutzung genau für das Produkt bedeutet, stellen wir schnell fest, dass es sehr kompliziert werden kann, diese Frage zu beantworten. Im Folgenden ein Framework, was uns hilft zu verstehen, was „nutzen“ eigentlich bedeutet.

  1. Zweck: Warum verwenden die Nutzer das Produkt?
  2. Kernfunktion: Welches ist das Schlüsselverhalten der Nutzer?
  3. Zyklus: Nutzen sie es so häufig wie erwartet?

Und somit lautet die wichtigste Metrik in der Produktentwicklung: Wie oft führen die Nutzer die Kernfunktion im erwarteten Zyklus aus? Veranschaulichen wir das Framework an einem Beispiel:

Was ist die Kernfunktion von LinkedIn?

Der Zweck von LinkedIn ist, dass Mitglieder Kollegen finden und von ihnen gefunden werden. Die Kernfunktion ist somit die Suchfunktion.

Welches Schlüsselverhalten möchte LinkedIn bei seinen Mitgliedern sehen?

Mitglieder sollten etwa 2- bis 3-mal pro Woche nach anderen Mitgliedern suchen. Und Mitglieder sollten etwa 2- bis 3-mal im Jahr auf Jobanfragen antworten. Nur wenn die Nutzer die Kernfunktion des Produkts im erwarteten Zyklus regelmäßig verwenden, geht LinkedIn davon aus, dass die Nutzer das Produkt in einer Art und Weise nutzen, die positive Auswirkungen auf die Unternehmensziele hat. Sollte das nicht der Fall sein, schließt LinkedIn daraus, dass die Nutzer die Anwendung nicht so verwenden wie gehofft und LinkedIn experimentiert, welche Änderungen an der Funktionalität zu diesem Nutzerverhalten führen könnten.

LinkedIn kann das Finden und Gefundenwerden monetarisieren.

LinkedIn bietet Lösungen für HR-Abteilungen und Recruiter an, die auf der Suche nach Talenten sind. Deshalb ist LinkedIn darauf angewiesen, dass Talente gefunden werden können und auch auf Anfragen antworten. Deshalb setzt LinkedIn alles daran, dass die Nutzer ihr Profil vervollständigen und Benachrichtigungen beantworten. Erinnerungs-E-Mails, Push-Notifications, Profilstärkemesser und Leveling sind nur einige der vielen Beispiele dafür, wie LinkedIn versucht, die Nutzer zum Schlüsselverhalten zu bewegen.

Erfolgreiche Produktteams konzentrieren sich auf das Verhalten ihrer Nutzer, welches Geschäftsnutzen liefert.

Proto-Persona: Die Qualität des Produkts aus der Nutzerperspektive sollte für Scrum Teams im Vordergrund stehen

Im Jahr 1993 stellte Word 6.0, was die neuen Funktionen angeht, die größte Markteinführung dar, die Microsoft je vorgenommen hatte.

Neben weiteren Features hatte Microsoft das Ziel, die Codebasis für Windows, MS-DOS und Macintosh zu vereinheitlichen, um die Weiterentwicklung und Wartung zu vereinfachen und somit Kosten zu sparen. Die Einführung des „umfassendsten Textverarbeitungsprogramms für Macintoshs aller Zeiten“ gestaltete sich im wahrsten Sinne des Wortes im Schneckentempo. Es dauerte bis zu zwei Minuten, bis das Programm überhaupt startete. Sofort postete die Mac-Community in Newsgroups, Microsoft versuche, „den Mac zu töten“. Der Aufschrei der Macintosh-Nutzer machte sich sogar am Aktienkurs von Microsoft bemerkbar.

Dieser Tag war eine Lektion.

Die Entwicklungsabteilung von Microsoft lernte, dass sich die Nutzer für ihre Geräte und Betriebssysteme entschieden, weil sie die Unterschiede schätzen und nicht die Gemeinsamkeiten; und dass eine Vereinheitlichung der Codebasis kein Qualitätsmerkmal für Nutzer darstellt, die Startgeschwindigkeit der Anwendung hingegen schon.

Scrum Teams können davon lernen, dass am Ende die Nutzer und Kunden des Produkts entscheiden, ob die Qualität ausreichend ist. Und Produktteams sollten viel Zeit investieren, ihre Kunden besser zu verstehen und ihre Annahmen darüber, was sie wertschätzen oder nicht häufig überprüfen. Eine gute Möglichkeit dafür stellen Proto-Personas dar. Sie stellen das Verhalten und die Bedürfnisse der möglichen Nutzer in den Vordergrund, im Gegensatz zu Marketing- oder herkömmlichen Personas, welche häufig rein auf Käuferverhalten oder demografischen Daten basieren. Das Ziel von Proto-Personas ist es nicht, eine perfekte und 100 % genaue Persona zu erstellen, sondern sicherzustellen, dass das Team ein gemeinsames Verständnis über mögliche Anwender erhält.

Eine Proto-Persona besteht aus drei Teilen:

  • einem Namen und einer Profilskizze, damit wir wissen, wer die Person ist;
  • dem Verhalten und einigen demografischen Informationen, die sich auf die Art und Weise auswirken, wie diese Person unser Produkt nutzen würde;
  • den Bedürfnissen, die der Kunde hat, bei deren Lösung wir ihm helfen wollen und was ihn derzeit daran hindert, diese Bedürfnisse zu erfüllen.

Wichtig: Wie alles in der Produktentdeckung und Produktentwicklung sind Proto-Personas vorerst nur Annahmen über mögliche Nutzer des Produkts, daher der Zusatz „Proto“. Sie stellen eine einfache Weise dar, wie Scrum Teams eine engere Verbindung zu Endnutzern und Kunden herstellen können, um somit die Qualitätsansprüche der Nutzer nicht aus den Augen zu verlieren.

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