Kollegen sitzen zur Feedbackrunde zusammen

Die Kunst, wirksam Feedback zu geben – und warum das wesentlich ist, um dein Scrum-Team weiterzubringen

Wer etwas ändern soll, braucht einen Spiegel

Erste Agile-Coaching-Weisheit:

„Menschen sträuben sich gegen Veränderung, wenn sie den Grund dafür nicht sehen können.“

Diese Weisheit wurde mir erst kürzlich wieder bewusst:

Vor einiger Zeit waren meine Frau und ich beim Italiener essen. Von meinem Platz aus konnte ich den Pizzabäckern bei der Arbeit zusehen, was mich bereuen ließ, Spaghetti gewählt zu haben. Meine Frau deutete nach einer Weile auf mein Kinn und sagte: „Schatz, du hast da was. Mach es weg.“ Da ich nichts sehen konnte, stand ich auf und ging zur Toilette. Als ich die verirrte Tomatensoße auf meinem Kinn im Spiegel sah, wusste ich, was sie gemeint hatte, und griff zu den Papiertüchern.

Diese Situation im Restaurant, ist auch, was ich in meiner täglichen Arbeit beobachte:

Menschen können sich verändern.

Was ich allerdings auch beobachte: Menschen sträuben sich gegen Veränderung, wenn sie den Grund dafür nicht kennen. Erst wenn sie diesen selbst sehen können, dann erkennen sie die Notwendigkeit, sich zu verändern.

Feedback als Spiegel für das Team

Wie kannst du dir diese Einsicht in deiner Arbeit als Scrum Master zunutze machen?

Als Scrum Master verkörperst du die stetige Veränderung.

Deine Aufgabe im Team und im Unternehmen ist es, Veränderung hin zu mehr Agilität, Kundenzentriertheit und Teamarbeit voranzutreiben. Aber solange du den Teammitgliedern die Gründe dafür nicht aufzeigen kannst, werden sie vor dieser Veränderung wahrscheinlich zurückschrecken.

Die gute Nachricht: Die Gründe sind da. Die schlechte, sie verbergen sich außerhalb des Sichtbereichs des Teams. Sie stellen noch blinde Flecken dar. Willst du als Scrum Master Veränderung vorantreiben, dann decke die blinden Flecken für dein Team auf. Für mich ist es das, was im Kern die Arbeit eines Scrum Masters ausmacht. 

Wie du dabei vorgehst? Gib Feedback.

Feedback zu geben, ist eine einfache und schnelle Möglichkeit, blinde Flecken sichtbar zu machen.

Aber Achtung: Hier eine Lektion, wie du kein Feedback geben solltest.

Die BEH-Feedback-Methode hat Simon Flossmann entwickelt, um innerhalb seiner Scrum-Teams Feedback glaubwürdig und konstruktiv zu halten (Grafik: Sketches by Denise).

Warum ich von Feedback nach der Sandwich-Kritik-Methode abrate 

Wenn ich „Feedback geben“ schreibe, welche Methode kommt dir sofort in den Sinn?

Die Chancen stehen gut, dass du dabei an das Feedback-Sandwich-Format denkst. Der Name bezieht sich auf eine Methode, bei der Kritik zwischen zwei positiven Bemerkungen eingebettet wird. Ich habe noch nie eine Schulung über Mitarbeiterführung besucht, in der dieses Format nicht angepriesen wurde. Ich glaube, diese Methode ist so populär, weil sie als ein sanfterer Weg angesehen wird, um Kritik zu überbringen.

So zumindest die Theorie. In der Praxis habe ich noch nie ein Performance-Review, Mitarbeitergespräch oder eine Leistungsbeurteilung miterlebt, bei der die so angebrachte Kritik gut aufgenommen wurde.

Was ich dagegen sehe, ist die Gefahr, zweier negativer Effekte:

1. Ummantelung der Kritikpunkte in positives Feedback birgt die Gefahr von Verwirrung und Unklarheit

Wenn Führungskräfte ein bestimmtes Verhalten ansprechen, das verbessert werden soll, und sie dies zwischen zwei positiven Bemerkungen verpacken, dann überhören Mitarbeiter das kritische Feedback häufig oder sie sind anschließend verwirrt. Nach dem Gespräch wissen sie nicht genau, an welcher Stelle Verbesserung gewünscht wird.

2. Kalkulierende Methodik zerstört das Vertrauen in Aufrichtigkeit

Erhalten Mitarbeiter häufig Feedback in Form des Feedback-Sandwichs, dann durchschauen sie die positiven Bemerkungen irgendwann als „Verpackung“. Dies kann dazu führen, dass den positiven Bemerkungen grundsätzlich immer weniger Glauben geschenkt wird, wenn davor oder danach kritische Punkte angesprochen werden. Häuft sich dieser Eindruck. wird die Führungskraft insgesamt als unaufrichtig und kalkulierend wahrgenommen.

Aber wie kann man es besser machen? Durch die vielen Feedbackgespräche, die ich selbst geführt oder an denen ich als Moderator teilgenommen habe und in denen mir Verbesserungspotential aufgezeigt wurde, bin ich zu zwei Einsichten gekommen:

  1. Lerne erst, wie es ist, kritisches Feedback zu erhalten, damit du dir der Auswirkung von Feedback bewusst bist.
  2. Statt dem Feedback-Sandwich: Verwende die BEH-Methode, um Feedback zu geben.

Hier die Einsichten im Detail und mit Übungen, wie du sie für dich nutzen kannst:

Einsicht 1: Bevor du Feedback gibst, hole dir selbst so viel ehrliches Feedback wie möglich ein und lerne, es anzunehmen. Nur so wirst du dir der Auswirkung bewusst. 

Bevor du Feedback gibst, lerne Feedback anzunehmen.

Mit Kritik umzugehen ist schwieriger als du denkst, nimm es nicht auf die leichte Schulter. Deshalb mein Tipp: Beginne mit kleinen Schritten. Vor einigen Jahren wollte ich meine Facilitation-Technik verbessern. Deshalb habe ich über ein Jahr nach jedem Scrum Event oder Meeting, welches ich moderiert habe, Feedback eingeholt.

Dabei bin ich in drei Schritten vorgegangen:

  1. Nach jedem Meeting habe ich mir aufgeschrieben, was meiner Meinung nach gut und schlecht lief. Ich habe mich gefragt: „Was hat das Meeting effektiv gemacht? Wie habe ich dazu beigetragen?“
  2. Danach habe ich mindestens einen Teilnehmer des Meetings gefragt: „Was hast du beobachtet, was habe ich gemacht?“
  3. Zum Schluss habe ich den Teilnehmer gebeten, mir konkrete Vorschläge für Verbesserungen zu nennen, damit ich in Zukunft das Meeting noch besser moderieren konnte.

Diese Methode hat mir geholfen, meine Feedback-Fähigkeit langsam zu steigern.

Zu Beginn habe ich nur ein Teammitglied gefragt. Später dann das ganze Team, bei dem ich die ROTI-Feedbackstrahl-Methode verwendet habe. Zu Beginn habe ich nur vertraute Arbeitskollegen aus dem Team um Verbesserungen gebeten. Später dann in Sprint-Reviews auch Personen aus dem Management oder direkt unsere Kunden, die bei den Meetings waren.

Dieses Jahr habe ich gesehen, wie schwierig es ist, Feedback immer mit offenen und wohlwollenden Ohren zu hören. Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, dass Feedback auf Beobachtungen fußt und nicht auf Meinungen. Ich habe erkannt, dass ich nur etwas verbessern kann, wenn der Vorschlag sehr konkret ist.

Deshalb mein Appell an dich: Bevor du als Scrum Master Feedback gibst, um Teammitglieder auf blinde Flecken hinzuweisen, trainiere erst einmal, Feedback zu erhalten.

Einsicht 2: Statt des Feedback-Sandwichs, verwende die BEH-Methode, um Feedback zu geben

Wenn die Feedback-Sandwich-Methode zu Verwirrung führt und als unaufrichtig wahrgenommen wird, wie solltest du dann Feedback geben?

Hier meine Methode, die sich für mich sehr bewährt hat. Ich nennen sie BEH-Feedback-Methode, um mir die Schritte besser merken zu können. Ich erkläre dir die Methode anhand vier unterschiedlicher Gesprächsverläufe, so siehst du sie gleich in Aktion.

Gesprächsverlauf 1:

Scrum Master: „Das Daily Scrum hätte besser sein können.“

Teammitglied: „Okay?!?“

Das Feedback besteht hierbei aus Kritik ohne Begründung.

Gesprächsverlauf 2:

Scrum Master: „Mir ist aufgefallen, dass das Daily Scrum 30 Minuten gedauert hat.“

Teammitglied: „Stimmt. Ist mir nicht aufgefallen. Ich denke beim nächsten Mal daran. Danke!“

Das Feedback besteht hier aus einer Beobachtung.

Gesprächsverlauf 3:

Scrum Master: „Mir ist aufgefallen, dass das Daily Scrum 30 Minuten gedauert hat.“

Teammitglied: „Und???“

Scrum Master: „In unseren Working-Agreements haben wir uns als Team darauf geeinigt, dass das Daily Scrum 15 Minuten nicht überschreiten sollte, damit wir fokussiert bei der Sache bleiben können.“

Teammitglied: „Stimmt. Ich denke beim nächsten Mal daran. Danke!“

Das Feedback besteht hier zunächst aus einer Beobachtung, auf die eine Erwartung folgt.

Gesprächsverlauf 4:

Scrum Master: „Mir ist aufgefallen, dass das Daily Scrum 30 Minuten gedauert hat.“

Teammitglied: „Und???“

Scrum Master: „In unseren Working-Agreements haben wir uns als Team darauf geeinigt, dass das Daily Scrum 15 Minuten nicht überschreiten sollte, damit wir fokussiert bei der Sache bleiben können.“

Teammitglied: „Wie soll das gehen? Wir sind 8 Personen im Meeting, da hat dann jeder weniger als 2 Minuten, um etwas zu sagen?“

Scrum Master: „Wir könnten erstmal nur Stories besprechen, die direkt auf das Sprint-Ziel einzahlen. Wollen wir das im nächsten Daily Scrum gemeinsam versuchen?“

Das Feedback besteht in dieser Situation aus einer Beobachtung, einer Erwartung und einem Hilfsangebot zur Verbesserung der Situation.

Dies bezeichne ich als die BEH-Feedback-Methode: Gutes Feedback besteht aus Beobachtung, Erwartung und einem Hilfsangebot!

So kann wirksames Feedback gelingen

Mein Appell an dich: Formuliere Feedback als konkretes Hilfsangebot. Veränderung fällt Menschen leichter, wenn sie nicht allein sind. Biete ihnen diese Unterstützung an. Diese Eigenschaft beschreibt der Scrum-Guide, wenn er Scrum Master als Personen beschreibt, die führen und dienen.

Gemäß einer weiteren wichtigen- Agile-Coaching-Weisheit:

„Wenn du schnell gehen willst, geh allein. Wenn du weit gehen willst, geh zusammen.“

Was sind deine Erfahrungen mit Feedback im Teamkontext?

Vertiefung und weiterführende Facilitation-Skills für Scrum Master

Neben der Kunst, wirksames Feedback zu geben, gibt es viele weitere kommunikative Skills und Moderationstechniken, die Scrum Master beherrschen müssen.
Wenn du dich hier weiterbilden möchtest, empfehle ich dir das Skill-Training mit Zertifizierung „Professional Scrum Facilitation Skills™ (PSFS)“.

Das kennst du schon? Hier findest du eine Übersicht aller unserer Trainings für Scrum Master, Product Owner, Agile Coaches, Developer und zum Thema Agile Leadership.

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