3 (bittere) Lektionen eines Scrum-Trainers
Für jede Trainerin und jeden Trainer kommt der Zeitpunkt, an dem man in den Spiegel schauen und über sehr wichtige Fragen nachdenken muss:
- Was bedeutet es wirklich, ein Trainer:in zu sein?
- Konzentriere ich mich auf das Wesentliche?
- Warum sind die Teilnehmer:innen in meinem Training?
Die Beantwortung dieser Fragen ist für mich mit drei Lektionen verbunden, die ich als Trainer in den vergangenen Jahren lernen musste.
Lektion 1: Ohne Teilnehmer bist du kein Trainer
Den allerersten Tag als neuer Professional-Scrum-Trainer werde ich nie vergessen.
Am 20. Dezember 2019 erreichte mich die Nachricht: „Herzlichen Glückwunsch! Du bist jetzt PST und nun Teil eines Eliteteams von Trainern, die weltweit offizielle Professional-Scrum-Trainings anbieten.“ Kurz darauf gratulierte mir Peter, mein Mentor, auf dem Weg zum PST mit folgenden Worten: „Ruh dich nicht aus, jetzt beginnt der anspruchsvolle Teil unseres Jobs.“ An diesem Tag hatte ich keine Ahnung, was er damit meinte. Erst ein Jahr später, als ich endlich mein erstes eigenes, öffentliches Training abgehalten hatte, verstand ich, was er mir damit sagen wollte:
Teilnehmer:innen zu gewinnen, ist der anspruchsvolle Teil unseres Jobs.
Deshalb sage ich allen, die mit dem Gedanken spielen, ebenfalls Trainer zu werden, immer das Gleiche: Ohne Teilnehmer:innen im Training bist du (noch) kein Trainer. Diese Lektion musste ich auch lernen.
Lektion 2: Mache weniger, dafür aber häufiger
Als ich vor einigen Jahren mein erstes Online-PSM-Training durchführte, dachte ich, ich sei perfekt vorbereitet:
Zoom war installiert, eine umfangreiche Trainingsumgebung in Miro aufgebaut und ein Slack-Raum stand für zusätzliche Diskussionen bereit. Als dann am Morgen der erste Teilnehmer den Trainingsraum betrat und sagte: „Miro lädt nicht!“, nahm die Katastrophe ihren Lauf. Eine instabile Internetverbindung in Indien, nur ein 14-Zoll-Notebook-Bildschirm im Homeoffice und ein offenes Fenster direkt an der Hauptstraße, um der Hitze in der Wohnung zu entkommen, machten die Katastrophe perfekt.
Seither konzentriere ich mich bei Trainings auf das Wesentliche:
Den Inhalt!
Ich halte die Tools so einfach wie möglich. Ein Monitor, Zoom, wenige Folien in Google Jamboard sowie Papier und Stift. In Trainings geht es darum, den Inhalt gut zu vermitteln, und darauf sollte sich der Trainer konzentrieren. Unterrichten ist eine Fähigkeit, die viel Übung erfordert und entwickelt werden muss. Wenn du Unterstützung beim Erlernen dieser Fähigkeit suchst, dann wirf einen Blick auf mein Train-the-Trainer-Programm: „Training from the Back of the Room”.
Die Lektion, die ich lernen musste:
Das Training wird besser, wenn du es häufiger durchführst, nicht, wenn du Unmengen an zusätzlichen Tools verwendest.
Lektion 3: Anfänger suchen nach Lösungen, Experten nach Optionen
Am Anfang meiner Trainerkarriere hat meine Kollegin Uta einen Satz gesagt, der mir bis heute im Gedächtnis geblieben ist:
„Simon, die Teilnehmer sind aus einem bestimmten Grund hier. Sie kommen mit einer Frage, und du musst sie beantworten.“
Damals konnte ich ihr nicht zustimmen. Für mich ist ein Training keine private Coaching-Session. Bis ich in einem Training mit einem Co-Trainer bemerkte, dass sich die Teilnehmer:innen ausschließlich mit Fragen an ihn wandten. Das machte mich stutzig und ich sagte mir: „Vielleicht steckt doch etwas Wahres in Utas Aussage.“ Seit diesem Tag studiere ich meine Co-Trainer und – was sie nicht wissen – ich vergleiche ihre Art, Fragen zu beantworten. Welche Antwort hinterlässt ein Lächeln auf dem Gesicht? Welche Antwort regt die Fragenden zum Nachdenken an? Verwenden die Trainer Humor in ihren Antworten oder sind sie immer ernst? Wie fassen sie Konzepte noch einmal zusammen? Teilen sie persönliche Geschichten und Erfahrungen oder Fakten und Statistiken? Beantworten sie Fragen mit abstrakten Konzepten oder einfachen Beispielen?
Mittlerweile bin ich überzeugt, dass Uta recht hatte. Ein Teilnehmer verlässt das Training frustriert, wenn seine Frage nicht beantwortet wurde. Noch wichtiger: Beim Studium der Art und Weise, wie meine Kollegen Fragen beantworten, ist mir ein entscheidendes Detail aufgefallen:
Anfänger suchen nach einer konkreten Lösung. Ich glaube, das gibt ihnen Sicherheit. Etwas Konkretes hilft ihnen dabei, den nächsten Schritt eigenständig zu gehen. Eine Beispielantwort: „Wenn ich in deiner Situation wäre, würde ich damit beginnen …“
Experten hingegen suchen nach Optionen. Ich glaube, dass sie sich durch das Angebot von Optionen in ihrer Expertise anerkannt fühlen. Gleichzeitig erweitern weitere Optionen ihren Horizont. Eine solche Antwort kann gut als Frage gestellt werden: „Welche der Dinge, die wir im Training behandelt haben, könnten dir in deiner Situation helfen? Hast du auch schon an … gedacht?“
Die Lektion, die ich aus dieser Erfahrung ziehe:
Als Trainer:in sollten wir stets nach Wegen suchen, wie wir die Fragen unserer Teilnehmer:innen besser beantworten können.
Wenn du auch Trainer:in werden willst oder nach Wegen suchst, dich als Trainer:in zu verbessern, dann habe ich drei Ratschläge für dich:
- Überlege dir frühzeitig, wie du Teilnehmer für deine Trainings gewinnst.
- Konzentriere dich auf den Inhalt des Trainings und nicht auf die Tools.
- Suche immer nach Wegen, die Fragen der Teilnehmer besser zu beantworten.
Mich hat es Jahre gekostet, diese Erfahrungen zu machen: Also merke dir meine Ratschläge! 🙂
Vielen Dank Alex! Es freut mich, dass dir der Artikel geholfen hat.
Als ich den Artikel las, fühlte ich mich sofort angesprochen. Die Unterscheidung zwischen Anfängern, die nach konkreten Lösungen suchen, und Experten, die nach Optionen suchen, ist so treffend. Ich erinnere mich an meine Anfangszeiten, als ich klare Anweisungen brauchte, um mich sicher zu fühlen. Jetzt, mit mehr Erfahrung, suche ich ständig nach neuen Möglichkeiten. Dieser Perspektivenwechsel ist ein Zeichen für Wachstum und Entwicklung. Der Artikel hat mir geholfen, meine eigene Reise besser zu verstehen und hat mich inspiriert, diese Erkenntnisse in meinen zukünftigen Trainings weiterzugeben.