So ersparst du den Teilnehmern Unsicherheit beim interaktiven Workshop- oder Schulungs-Einstieg
Diese Situationen in Einstiegs- und Kennenlernrunden bei Schulungen oder Workshops hast du sicher auch schon erlebt. Für mich als Teilnehmer waren sie oft unangenehm:
- Der Trainer stellt sich selbst und die Agenda des Trainings ausführlich und kleinschrittig vor, während die Teilnehmer hintereinander gereiht sitzen und ihm zuhören.
- Es folgt die Vorstellungsrunde, in der sich alle Teilnehmer des Trainings nacheinander vorstellen.
- Oder alternativ soll sich jeder seinem Sitznachbarn vorstellen – was ich gerne tue. Allerdings ändert sich das schlagartig, wenn der Trainer dann darum bittet, dass ich meinen Sitznachbarn vor der ganzen Gruppe vorstelle.
Wie geht es dir mit solchen Situationen? Ich habe den Eindruck, dass diese Dinge schnell zu Unwohlsein bei den Teilnehmern führen. Es erinnert mich immer ans Ausfragen in der Schule vor der ganzen Klasse.
Wenn wir uns unsicher fühlen, können wir nicht lernen.
Fühlst du dich auch unwohl, dann sind wir nicht alleine. Für mich selbst kann ich sagen, dass ich mich deshalb unwohl fühlte, weil ich verunsichert war.
Diese Erkenntnis ist besonders für Schulungen und Trainings sehr wesentlich, denn wenn wir uns unsicher fühlen, können wir nicht lernen.
Bevor ich dir aber verrate, wie ich meine Trainings angepasst habe, um Situationen wann immer möglich zu vermeiden, in denen Unsicherheit aufkommen kann, lass uns noch diese Frage beantworten:
Warum fühlen wir uns gerade bei Vorstellungsrunden häufig unwohl?
Ich glaube, es gibt eine einfache Antwort.
Vorstellungsrunden führen dazu, dass alle Augen auf uns gerichtet sind. Werden wir von mehreren Personen, die uns vielleicht auch noch fremd sind, angeschaut, signalisiert unser Gehirn Gefahr. Wir nehmen die Situation als unsicher wahr. Glaubt unser Gehirn, dass etwas Gefährliches passieren könnte, versetzt es uns in Alarmbereitschaft. Es schüttet Stresshormone aus. Droht uns wirklich Gefahr, ist das bitter nötig. Die Hormone würden uns helfen, schneller zu laufen oder besser zu kämpfen. Allerdings hemmen Hormone wie Adrenalin und Cortisol unsere Fähigkeit, neue Informationen aufzunehmen und zu speichern. Speziell Cortisol kann die Funktion des Hippocampus stark einschränken. Körperlich erkennst du den Stress zum Beispiel daran, dass dir warm wird, dein Herz klopft schneller, dein Nacken verspannt oder deine Stimme wird heiser.
Dieser körperliche Ausnahmezustand ist gut, um uns in Flucht- oder Kampfbereitschaft zu versetzen. Er verhindert aber das Aufnehmen und Speichern von Informationen, das soziale Zusammenwachsen der Gruppe und natürlich auch, dass wir eine gute Zeit haben.
Also sollten wir uns fragen, wenn wir Workshops, Schulungen oder Trainings vorbereiten:
Wie können wir dafür sorgen, dass sich die Teilnehmer sicher fühlen?
Ich achte dabei auf drei Dinge:
- Bewegung, Bewegung und nochmals Bewegung. Warum? Ganz einfach: Bewegung sorgt dafür, dass Stresshormone – sollten sie entstanden sein – abgebaut werden.
- An Vorwissen anknüpfen: Stress wird nicht nur physisch, also durch die Augen, die uns anstarren, ausgelöst, sondern auch dadurch, dass wir mit Fragen konfrontiert werden, die wir nicht beantworten können. Wir haben Angst, etwas Falsches zu sagen und uns zu blamieren.
- Erstmal nur mit einer Person sprechen: In einer Schulung werden wir nie allein sein, aber müssen wir uns gleich allen Teilnehmern auf einmal stellen? Nein. Starten wir deshalb das erste Gespräch nur mit einer Person.
Es gibt viele Möglichkeiten, diese drei Aspekte in der Schulung umzusetzen. Ich stelle dir im Folgenden die drei Methoden vor, die sich in meinen Schulungen und Trainings sehr bewährt haben. Es würde mich freuen, wenn du sie testest und von deinen Erfahrungen berichtest.
Impromptu-Networking: Die Gruppe kennenlernen über Gespräche zu zweit
Es ist eine Herausforderung, bei fremden Personen ein Gefühl der Sicherheit zu schaffen. Das Impromptu-Networking ist eine Methode, die an Speeddating erinnert. Sie bietet vor allem in Situationen, in denen sich die Teilnehmer noch fremd und daher unsicher sind, eine effektive Möglichkeit, das gegenseitige erste Kennenlernen in einer sicheren Umgebung stattfinden zu lassen und das Eis zwischen den Teilnehmern zu brechen.
So gehst du beim Impromptu-Networking vor:
- Überlege dir vorab eine Frage, die sich die Teilnehmer in Zweiergesprächen gegenseitig beantworten sollen.
Ich nutze dazu gerne die Frage: „Was hat dich in diese Schulung geführt und was möchtest du mitnehmen?“ - Lass die Teilnehmer der Gruppe Paare bilden und sich zur Frage austauschen. Gib ihnen dafür 4 –5 Minuten Zeit.
- Schritt 2 wird anschließend noch 2 Mal wiederholt, indem sich jeweils neue Paar zusammentun.
Dieses „spontane Netzwerken” kann sich auf die Sitznachbarn beschränken. Wenn du dafür sorgen willst, dass sich alle Teilnehmer quer durch den Raum mischen und in Bewegung kommen, dann hilft dir dabei die nächste Methode.
Introduction-Carousel: Einführungsfragen beim Spaziergang durch den Raum beantworten und Ergebnisse kurz verschriftlichen
So nutzt du das Introduction-Carousel:
- Überlege dir verschiedene Fragen, die als Eisbrecher funktionieren, aber auch gedanklich auf das Schulungsthema vorbereiten.
Z.B. nutze ich in meinem „Professional Scrum Master – Advanced“-Training gerne folgende 4 Fragen:
– Mein Lieblingslied ist …
– Meine Erfahrung mit Scrum (auf einer Skala von 1 bis 10) lautet …
– Ich werde anderen helfen, das Beste aus diesem Training herauszuholen, indem ich …
– Eine Frage, die ich in diese Schulung mitbringe, lautet … - Lade die Teilnehmer ein, Paare zu bilden und sich über die Fragen zu unterhalten, während sie dabei durch den Raum spazieren.
- Außerdem sollen sie ihre Antworten auf Klebezettel notieren und sichtbar im Raum anbringen. Bei 4 Fragen werden dafür etwa 10 Minuten benötigt.
- Zum Abschluss gehst du mit der ganzen Gruppe durch den Raum und ihr besprecht gemeinsam die Antworten.
Im letzten Schritt ist es nicht nötig, alle Antworten zu besprechen. Die meisten Notizen haben die Teilnehmer bereits selbst gelesen. Ich bespreche nur die Antworten, die wichtig sind, um die Erwartungen an den Tag zu klären. Etwa, wie wir als Gruppe an diesem Tag zusammenarbeiten wollen, damit sich jeder wohl fühlt und motiviert ist, sich auf Neues einzulassen.
Zum Abschluss noch ein Beispiel, wie ich statt mit einer Vorstellungsrunde mein „Training from the Back of the Room“-Training beginne.
„Fast Pass“: Die Gedanken auf das Training lenken, schon bevor es richtig losgeht.
Es gibt diese gewisse Zeitspanne, wenn das Training offiziell noch nicht beginnt, die Teilnehmer aber nach und nach den Raum betreten und sich einen Platz suchen. In dieser Zeit könnte viel gewonnen werden, wenn sich die Teilnehmer schon vereinzelt kennenlernen und sich gedanklich, im Idealfall gemeinsam, auf das Training einstimmen.
Doch seien wir ehrlich, wie sieht die Realität aus?
Alle holen ihr Smartphone oder ihren Computer heraus und beantworten Nachrichten und E-Mails. – Nicht selten übrigens auch, um einer unangenehmen Stille und der Frage, ob man sich den Unbekannten vielleicht schon vorstellen sollte, für den Moment aus dem Weg zu gehen.
Wie können wir hier doppelten Gewinn erzielen, indem wir diese allererste Unsicherheit abfangen und die Zeit bereits zur Einstimmung auf das Schulungsthema nutzen?
Durch einen Schnelleinstieg in die Schulung – den „Fast Pass“:
Und so geht’s:
- Präsentiere eine relevante Frage zum Inhalt des Trainings, noch bevor die Schulung wirklich begonnen hat. Etwa als erste Folie deiner Präsentation oder auf einem Flipchart.
- Wenn die Teilnehmer den Raum betreten, lade sie ein, sich einen Platz zu suchen und einen Blick auf die Frage zu werfen.
- Wenn die Teilnehmer nicht eigenständig ins Diskutieren kommen, fordere sie freundlich auf, sich zu ihrem Sitznachbarn zu drehen und diese Frage zu besprechen.
Als Fragen nutze ich dieselben wie bei Impromptu-Networking oder eine Frage, die das Vorwissen der Teilnehmer aufgreift.
- „Was hat dich in diese Schulung geführt und was möchtest du mitnehmen?“
- „Was weißt du bereits über XYZ? Tausche dich mit deinem Nachbarn dazu aus.“
Wenn du meine Tipps nutzt, kannst du die erste Viertelstunde deiner Schulung gleich interaktiv gestalten. Damit schaffst du ein Umfeld, in dem Lernen und Austausch an erster Stelle stehen und sich jeder sicher fühlt.
Wenn du wissen möchtest, mit welchen Methoden du die restlichen Stunden deiner Schulung interaktiv gestalten kannst, sodass es ein positives Erlebnis für die Teilnehmer wird, dann besuche mein nächstes „Training from the Back of the Room“-Training. Dort zeige ich dir, wie du den Lernerfolg deiner Teilnehmer an erste Stelle stellst.