Matrixboard der Zieleportfolioanalyse und ein Kleinkind, das Spaghetti mit Tomatensauce isst.

Schwachstellen in Unternehmenszielen aufdecken: Die Ziele-Portfolio-Analyse (und was das mit Sauce am Kinn zu tun hat)

Man verändert nicht, was man nicht sieht

Bist du schon mehr als drei Jahre Scrum Master? Dann kommt dir dieser Dialog bestimmt bekannt vor:

Du: „Hey, Team. Seit dem letzten Scrum-Guide-Update brauchen Scrum-Teams ein Produkt-Ziel. Wir haben noch keines. Wollen wir es definieren?“ Team: „Nein, danke. Wir haben bereits genügend Ziele.“

Es gibt eine einfache Erklärung, warum dieses Vorgehen nicht funktioniert. Es hat etwas mit Spaghetti zu tun.

Ich gehe nicht gerne essen. Meistens ist es im Restaurant zu heiß oder zu laut – oder beides. Wenn ich dann doch mal essen gehe, dann am liebsten zum Italiener. So auch vor einiger Zeit, als ich mit meiner Frau in einer Osteria in Regensburg war. Wir saßen am Fenster und hatten gleichzeitig noch einen perfekten Blick auf den Steinofen in der Mitte des Restaurants. Dort konnte ich den Pizzabäckern bei der Arbeit zusehen, was mich bereuen ließ, dass ich Spaghetti gewählt hatte. Plötzlich riss mich meine Frau aus meinen Tagträumen. Sie deutete auf mein Kinn und sagte: „Schatz, du hast da etwas. Mach es weg.“ Da ich nichts sehen konnte, stand ich auf und ging zur Toilette. Als ich die verirrte Tomatensauce auf meinem Kinn im Spiegel sah, wusste ich, was zu tun war.

Wenn du Produkt-Ziele einführen willst, dann musst du jedem im Team helfen zu sehen, was du siehst.
Dinge, die andere Menschen nicht sehen, werden sie nicht verändern.

Die Ziele-Portfolio-Analyse als Spiegel für das Team

Dies bringt uns zurück zur eigentlichen Frage: Wie kannst du deinem Team helfen, ein Produkt-Ziel einzuführen? Wie bringst du sie dazu, zu beurteilen, ob sie die richtigen Arten von Zielen im Unternehmen haben? Wie findet ihr heraus, ob es Schwachstellen in der Verbindung von Unternehmens- und Teamzielen gibt?

Konzentriere dich auf die Probleme, die alle sehen können.

Ich entfernte die Sauce erst, als ich sie selbst sah, und nicht als meine Frau mich darauf hinwies. Was bedeutet das? Wenn du Produkt-Ziele einführen willst, dann musst du jedem im Team helfen zu sehen, was du siehst. Dinge, die andere Menschen nicht sehen, werden sie nicht verändern. Willst du Veränderung, dann musst du ihr Spiegel sein!

Möchtest du einem Team helfen, Löcher in der Ziellandschaft zu entdecken, dann musst du ihnen ebenfalls einen Spiegel reichen. Ein guter Spiegel ist: die Ziele-Portfolio-Analyse.

Diese Analyse besteht aus der Aufteilung der Ziele in zwei Kategorien. Am Ende entsteht eine Tabelle, die das Portfolio der Ziele im Unternehmen sichtbar macht. Ich habe dieses Werkzeug schon bei vielen Teams und Unternehmen verwendet und da es universell funktioniert, erkläre ich es auch den Teilnehmern meines „PAL-EBM“-Trainings.

Kategorie 1: Der Grad der Unsicherheit bestimmt das Ziel

Die erste Ziele-Kategorie sagt etwas über den Grad der Unsicherheit, ob und wann wir ein Ziel erreichen können.
Drei Gruppen lassen sich dabei unterscheiden:

  1. Strategische Ziele: Diese Ziele beschreiben etwas Wichtiges, das das Unternehmen erreichen möchte. Sie sind ambitioniert und weit entfernt. Bis strategische Ziele erreicht werden, gibt es noch viele Unsicherheiten zu überwinden.
  2. Da strategische Ziele ehrgeizig sind und der Weg dorthin unsicher ist, benötigt das Unternehmen eine Reihe von praktikablen Zielen. Es handelt sich hierbei um Zwischenziele. Werden sie erreicht, erhält das Unternehmen eine Rückmeldung, dass es sich dem strategischen Ziel nähert.
  3. Der Weg zum mittelfristigen Ziel ist immer noch nicht komplett bekannt. Deshalb benötigt man auch noch unmittelbare Ziele. Es handelt sich hierbei um zeitnahe Ziele, auf die ein Team hinarbeitet. Werden sie erreicht, hat das Team Fortschritte zum Zwischenziel gemacht.

Kategorie 2: Die Art des Ziels bestimmt die Autonomie des Teams

Die zweite Kategorie beschreibt nicht den Grad der Unsicherheit oder den zeitlichen Horizont, sondern die Autonomie, die ein Team bei der Verfolgung des Ziels besitzt.

Betrachten wir dazu das „Program Logic Model“ der W. K. Kellogg Foundation. Es handelt sich hierbei um eine einfache und weitverbreitete Form eines grafischen Wirkungsmodells. Es veranschaulicht die Wirkungsweise einer Dienstleistung oder eines Projekts als linearen Zusammenhang von Ursache und Wirkung.

„Program Logic Model“ der W. K. Kellogg Foundation (grafische Darstellung: Colenet).

Das Grundgerüst besteht aus fünf Elementen:

  • Ressourcen und Inputs: Die Dinge, in die das Unternehmen investiert.
  • Aktivitäten: Hierbei handelt es sich um Dinge, die Menschen in der Organisation tun.
  • Outputs: Das sind die Dinge, welche die Organisation produziert.
  • Outcomes: Dies sind Verbesserungen, die der Nutzer der Dienstleistung oder des Produkts erfährt.
  • Impacts: Ein Impact drückt aus, welche Auswirkungen die Verbesserungen für Nutzer und Kunden auf das Unternehmen haben.

Die letzten vier Elemente des Modells helfen uns, Ziele zu beschreiben. Ein Ziel kann beschreiben, was Menschen tun sollen, was produziert werden soll, welche Verbesserung der Nutzer erfahren soll oder welches Ergebnis für das Unternehmen eintreten soll.

Damit können wir sehen, wie die unterschiedlichen Ziele einen unterschiedlichen Grad an Autonomie zulassen. Ein Ziel, das eine Aktivität beschreibt, gibt den Entwicklern keinen Handlungsspielraum, außer diese Aktivität zu tun. Ein Ziel, das hingegen einen Output beschreibt, gibt dem Team die Möglichkeit zu wählen, welche Aktivitäten diesen Output ermöglichen. Ein Ziel, das einen Outcome beschreibt, lässt die freie Wahl, welcher Output durch welche Aktivität produziert werden soll. Schlussendlich lässt ein Impact-Ziel die Wahl, welche Kombination aus Outcome, Output und Aktivität diesen Impact erzielt.

Werkzeug: Ziele-Portfolio-Analyse

Mit den beiden Kategorien zur Unsicherheit eines Ziels und zur Autonomie des Teams bei Verfolgung eines Ziels lässt sich eine Ziele-Portfolio-Analyse erstellen.

Die vertikale Achse beschreibt die Autonomie, die ein Ziel ermöglicht. Also Aktivität, Output, Outcome oder Impact. Die horizontale Achse beschreibt den Grad der Unsicherheit, der bei der Erreichung des Ziels herrscht. Also strategisches Ziel, Zwischenziel und unmittelbares Ziel.


Damit ergibt sich folgende Matrix:

Wenn du auf dieser Matrix die Team- und Unternehmensziele einträgst, erhältst du einen Spiegel, der das Ziele-Portfolio des Unternehmens widerspiegelt. Damit lassen sich Schwachstellen in den Unternehmenszielen aufdecken.

Betrachten wir etwa diese Situation:

In dieser Konstellation wird schnell deutlich, dass ein Zwischenziel fehlt, um zu bewerten, ob Fortschritte bei der Erreichung des strategischen Ziels gemacht werden. In Scrum nennen wir ein solches Zwischenziel ein Produkt-Ziel. Es sollte einen Outcome beschreiben, um dem Team genug Autonomie zu geben, herauszufinden, wie es das strategische Ziel beeinflussen kann.

Transparenz und Messbarkeit in die Ziellandschaft bringen

Unabhängig davon, ob man als Team Scrum verwendet oder nicht, ist die Ziele-Portfolio-Analyse eine wirksame Methode, um vorhandene Ziele zu bewerten und Transparenz darüber zu schaffen, ob wir mit unserer Arbeit tatsächlich Fortschritte beim Erreichen der Ziele machen. Es dient außerdem dazu, sichtbar zu machen, in welchem Maß das Team Gestaltungsfreiheit beim Erreichen der gesetzten Ziele besitzt.
Scrum Master haben damit ein schlagkräftiges Instrument an der Hand, um beim Team Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Zwischenziele notwendig sind, um den Fortschritt messbar zu machen.

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