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Chancengleichheit in Scrum-Teams: Wie man Autoritätsverzerrung entgegenwirken kann

Statistisch liegen Autoritäten ebenso oft falsch mit ihrer Entscheidung wie wir alle. Irren ist menschlich. Gravierend ist jedoch, dass Menschen das Denken bei der Anwesenheit einer Autorität einen Gang zurückschalten. Und häufig gehorchen wir Autoritäten auch dort, wo es rational oder moralisch keinen Sinn ergibt. Autoritätsverzerrung (Authority Bias) kann dazu führen, dass Entscheidungen in Scrum-Teams nicht aufgrund von Fakten oder Kompetenzen getroffen werden, sondern aufgrund der Hierarchie oder persönlichen Vorlieben.

Wie kann sich das in einer konkreten Situation in Scrum äußern?

In einem Scrum-Team hatte ein Teammitglied vor einigen Jahren eine höhere Position in der Organisation als die anderen und wurde oft als „der Boss“ betrachtet. Obwohl das Teammitglied oft gute Ideen hatte, waren die anderen Mitglieder des Teams oft zögerlich, ihre eigenen Vorschläge oder Ideen einzubringen, weil sie sich nicht getraut haben, dem Vorgesetzten zu widersprechen.

Dies führte dazu, dass das Teammitglied oft Entscheidungen traf, ohne die Meinungen der anderen Teammitglieder zu berücksichtigen oder ohne sich um die möglichen negativen Auswirkungen der Entscheidungen zu kümmern. Das führte zu einigen Fehlern, die vermieden hätten werden können, wenn das Teammitglied die Meinungen und Vorschläge der anderen gehört hätte.

Ein weiteres negatives Ergebnis der Autoritätsverzerrung war, dass die anderen Mitglieder des Teams oft das Gefühl hatten, dass ihre Beiträge nicht wertgeschätzt wurden oder dass sie nicht ernst genommen wurden. Dies führte zu einer geringeren Motivation und einer geringeren Beteiligung am Teamprozess. Außerdem konnte sich das Team nicht vollständig aufeinander verlassen, da nicht alle Mitglieder auf der gleichen Augenhöhe waren.

Was ist die Autoritätsverzerrung genau?

Autoritätsverzerrung tritt auf, wenn Menschen dazu neigen, der Meinung von Personen mit höherer Autorität mehr Gewicht zu geben als anderen. Dies kann zu einer ungleichen Verteilung von Macht und Einfluss führen und dazu führen, dass Entscheidungen nicht auf der Grundlage von Fakten oder Kompetenzen getroffen werden.

Der „Weißkittel-Effekt“ verzerrt in eine ähnliche Richtung. Allein die Anwesenheit eines Arztes mit einem weißen Kittel (daher der Name) kann dazu führen, dass der Blutdruck von Patienten steigt und somit das Ergebnis der Messung verzerrt.

Der Psychologe Stanley Milgram hat 1961 in einem Experiment das Authority Bias nachgewiesen. Versuchspersonen wurde dabei vermeintlich Stromstöße verabreicht von 15 Volt bis 450 Volt. Die Versuchspersonen waren diejenigen, die die Voltzahl einstellten und wurden von einer Person in weißem Kittel (Autorität) angewiesen dies zu tun. Die Personen konnten einen Schauspieler durch eine Glasscheibe sehen, wie dieser Schmerzen hatte bei der Verabreichung der Stromstöße. Die Autorität sagte immer nur „Machen Sie weiter, das Experiment verlangt es“. Über die Hälfte aller Versuchspersonen folgten und gingen bis auf die maximale Stromstärke hoch – aus reinem Autoritätsgehorsam.

Autoritätsverzerrung kann bei Führungspersonen und bei Experten auftreten

Es ist wichtig zu betonen, dass eine Autoritätsverzerrung nicht immer aufgrund einer höheren Position in der Organisation entsteht. Es kann auch durch eine stärkere bzw. extrovertiertere Persönlichkeit oder durch eine höhere Fachkompetenz entstehen. In jedem Fall kann die Autoritätsverzerrung zu einer ungleichen Verteilung von Macht und Einfluss führen und dazu beitragen, dass Entscheidungen nicht auf der Grundlage von Fakten oder Kompetenzen getroffen werden.

Hier sind fünf Tipps, wie man die Autoritätsverzerrung in Scrum-Teams vermeiden kann:

  1. Schaffung einer Kultur der Offenheit und des Respekts: Eine offene Kommunikation und der Respekt vor den Meinungen aller Teammitglieder ist der Schlüssel zur Vermeidung von Autoritätsverzerrung. Jeder sollte ermutigt werden, seine Meinung zu äußern, und es sollte ein Klima der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Respekts geschaffen werden.
  2. Regelmäßige Reflexion und Überprüfung: Scrum-Teams sollten regelmäßig reflektieren und überprüfen, ob alle Teammitglieder gleichberechtigt beteiligt sind. Wenn festgestellt wird, dass bestimmte Teammitglieder oder Meinungen bevorzugt werden, sollten Maßnahmen ergriffen werden, um dies zu korrigieren. Hierfür eignet sich die Retrospektive.
  3. Nutzung von Tools zur Entscheidungsfindung: Scrum-Teams sollten Tools wie Abstimmungen oder Priorisierungsübungen nutzen, um Entscheidungen zu treffen. Diese Tools können dazu beitragen, dass Entscheidungen auf der Grundlage von Fakten und Kompetenzen getroffen werden, anstatt aufgrund der Hierarchie oder persönlichen Vorlieben.
  4. Rotierende Rollen: Das Rotieren von Rollen innerhalb des Scrum-Teams kann dazu beitragen, dass alle Teammitglieder die gleiche Chance haben, Verantwortung zu übernehmen und ihre Fähigkeiten und Perspektiven einzubringen.
  5. Schulung und Sensibilisierung: Scrum-Teams sollten geschult werden, um sich der Autoritätsverzerrung bewusst zu sein und Strategien zu entwickeln, um sie zu vermeiden. Sensibilisierung kann dazu beitragen, dass alle Teammitglieder Verantwortung übernehmen und gleichberechtigt beteiligt sind. Trainings die mir dabei sehr geholfen haben, findest du auf unserer Trainingsseite.

Fazit

Autoritätsverzerrung kann in Scrum-Teams zu ungleicher Verteilung von Macht und Einfluss führen und Entscheidungen aufgrund der Hierarchie oder persönlichen Vorlieben treffen. Durch die Schaffung einer Kultur der Offenheit und des Respekts kann dies vermieden werden.

Quellen:
Rolf Dobelli „Kunst des klugen Handelns“, 2012, Carl Hanser Verlag, München
Rolf Dobelli „Kunst des klaren Denkens“, 2011, Carl Hanser Verlag, München

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