Warum fällt uns „Stop starting, start finishing!“ so schwer?

In einer Session auf der Agile Lean Munich bin ich am 05. Mai 2023 mit den Teilnehmenden der Frage nachgegangen, warum es so schwer fällt, mit weniger Projekten gleichzeitig mehr Ergebnis zu erzeugen. Das altbekannte „Stop starting, start finishing!“ klingt so einfach, in der Praxis ist es aber nicht intuitiv und damit fehlt häufig der Mut, sich darauf einzulassen. Warum ist das so? Schauen wir uns gemeinsam an, was wir in der Session erarbeitet haben.

Was steckt hinter dem „Stop starting, start finishing“?

Wir haben zwei verschiedene Personas mit unterschiedlichen Ansätzen dafür betrachtet, wie mehrere Projekte zeitlich ablaufen können.

  • Ansatz A: Carla die Projektmanagerin lässt mehrere Projekte gleichzeitig laufen.
  • Ansatz B: Paul der Entwickler würde Projekte eher nacheinander abarbeiten.

Hinter „Stop starting, start finishing!“ steckt die Erkenntnis aus der systemischen Optimierung mit Lean und Kanban, dass bei geteilten Mitarbeitern Taskwechselaufwände (also Waste) etc. entstehen, die nicht auf die Wertschöpfung einzahlen. Ein weiteres Projekt verzögert deshalb alle anderen Projekte zusätzlich.

Schaut man unter dem Gesichtspunkt Cost-of-delay auf Ansatz B, so zeigt sich, dass durch früheres Fertigwerden auch früher Wert entsteht. Kunden bekommen früher etwas geliefert und meist ist sogar die Gesamtzeit für alle Projekte kürzer als bei Ansatz A. Diese Optimierung erreicht man nur durch Transparenz und WIP-Limits (Work in progress Limitierungen).

Selten gibt es jedoch diesen Überblick, so dass Optimierungsversuche mehr aus dem Bauch heraus geschehen.

Uns ist schon in den ersten Minuten klar gewesen, dass die Gründe für diese Optimierung nach Bauchgefühl nicht im Sachlichen zu suchen sind. Der Blick auf den unteren Teil des Eisbergs, also Gefühle, Emotionen, Werte und Kultur liegt deshalb nahe. Bleiben wir bei unseren Personas: Carla und Paul. In ihrer Zusammenarbeit sind Konflikte ersichtlich, die im Endeffekt dazu führen, dass die beiden keine gemeinsame Strategie finden.

Woher kommen die Konflikte?

Um uns den Zugang zum Konfliktpotenial etwas zu erleichtern, schauten wir auf die „Doppelte Verneinung“. Denn ein Konflikt entsteht erst, wenn ein Bedürfnis ausgedrückt wird, welches nicht zugestanden wird (erste Verneinung). Akzeptieren wir dies, so ist das Ergebnis ein Kompromiss und kein Konflikt. Erst wenn dies abgelehnt wird (zweite Verneinung), ist der Konflikt entstanden.

Das Beispiel, an dem wir uns dies verdeutlicht hatten war: Das Kind möchte Pfannkuchen zum Frühstück. Die Mutter besteht allerdings darauf, dass es Brokkoli essen soll. Besteht das Kind dann auf den Pfannkuchen gibt es einen Konflikt.

Wenn unsere Annahme stimmt, dass das „Stop starting, start finishing!“ nicht klappt, weil Konflikte dies verhindern, so müssen wir im Folgenden auf die Suche nach Konflikten gehen.

Wir haben den zwei Personas deshalb mehr Hintergründe hinzugefügt und sind in einer Gruppenarbeit, die nach dem 1-2-4-alle Prinzip aus den Liberating Structures durchgeführt wurde, auf folgende Konflikte (Post-it) gestoßen:

Uns wurde anschaulich klar, dass das Umfeld der beiden sehr unterschiedlich ist und beide getrieben sind. Carla, die den Druck der Kunden verspürt und die Auslastung und Existenz des Unternehmens sicherstellen möchte, nimmt aus dem Bauch heraus lieber mehr Projekte gleichzeitig in Arbeit. Paul, der lieber eine Sache nach der anderen machen würde, hat es schwer in der Kommunikation mit Carla, die ihm sogar Faulheit vorwirft. Paul kann seinem Bauchgefühl, dass er mit Konzentration auf eine Aufgabe diese zügiger umsetzen könnte, keine rationale Stimme geben.

Wie kann es dennoch klappen?

Das „Stop starting, start finishing!“ klappt also begründbar nicht so einfach, da die Motivationslagen unterschiedlich sind und die Transparenz fehlt, die dies ablesbar belegen würde. Die Lösung lag für uns auf der Hand: Transparenz und Messbarkeit muss her! Dies z.B. mit Kanban und passenden Key Value Metriken. Danach können WIP-Limits eingeführt werden und deren Auswirkungen gemessen werden. Über die Zeit lassen sich dadurch die optimalen WIP-Limits ermitteln und die Optimierung des Systems basiert nicht mehr auf Bauchgefühl sondern auf Basis von Fakten.

Unsere Annahme war auch, dass sich damit die Konflikte verringern und eine gemeinsame Strategie entstehen kann, woraus vielleicht noch ganz ungeahnte Möglichkeiten für den Betrieb entstehen.

Hintergründe zu Kanban und wie „Stop starting, start finishing!“ nachhaltig umsetzbar ist lässt sich bei Interesse in einem Kanban Training von Colenet erlernen.

Ich danke allen Teilnehmenden für diese wundervolle Session und hoffe, ihr konntet auch für euch etwas davon mitnehmen. Bis zur nächsten ALM!

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